600km Nach Norden. Küste. Windschatten. Klingt verlockend!
Der “Tag der Arbeit” (Labor Day) steht in unserem Wohnwagenpark an. Die ersten Blagen haben bereits eingecheckt. Grund genug zu Flüchten. Wir fahren einen kleinen Umweg über die Bäckerei in Mingenew und dann in das Coalseam Naturreservat, unserem ersten Stop. Es ist für seine üppigen Blumenwiesen berühmt. Da es bereits Hochsommer ist, sind dafür etwas zu spät. Aber die Schlucht, die vom Greenough Fluss in den Fels geschnitten wurde ist auch ausserhalb der Saison beeindruckend. Ein bisschen wie in einem Winnetou Film. Der schweifende Blick vom der Klippe ist genial. Genauso wie die windende Fahrt durch das Reservat. Wie so oft, sind auch hier Hunde unerwünscht und so ziehen wir weiter.
Bevor am die Insekten zu lästig werden, packen wir ein. Die Sonne geht gerade auf. Das Auto erwacht leise tuckernd und wir sind uns auf den Weg ins malerischen Chapman Tal. Der Oberlauf, das sind weite Getreidefelder. Mehrere Millionen Hektar. Monotonie legt sich sanft über die wellenförmigen Hügel. Der richtige Ort um sich zu verlieren. Der küstennahe Bereich des Tals ist definitiv abwechslungsreicher. Und touristisch. Nur nicht an diesem langen Wochenende. Es ist das letzte Hurrah der Sommerferien. Alles ist entweder geschlossen, oder in Konkurs oder selbst auf Urlaub. Wir haben das Frühstück am Salzsee ausgelassen, im Vertrauen, unterwegs was Passendes zu finden. Mit steigendem Kilometerstand zerläuft die Hoffnung auf einen Imbiss. Der knurrende Magen beschließt, in Horrocks Beach einzukehren. Wir haben es bereits auf einem früheren Ausflug kennen und schätzen gelernt. Einen netten Laden hat's auch. Und so gibt es nach einem Burgerbrunch einen langen Spaziergang und danach eine gute Mütze Schlaf. Gutes altes Horrocks!!!
Nur noch 400 Kilometer. Der Great North West Coastal Highway ist trotz seines Namens weniger großartig als trostlos. Zwei Tank- und Raststätten (Billabong und Overlander Roadhouse) sind die einzigen, traurigen Highlights. Als wir auf bei Hamelin Pools auf die 353 abbiegen hebt sich die Stimmung. Die letzten 150 km nach Denham und Monkey Mia sind für uns neu. Und das ist immer aufregend. Die Strasse folgt einer ewig langen Halbinsel. Auf der einen Seite ist die Henrí Freycinet Bucht, auf der anderen die Hamelin Pools und später Shark Bay. Die Region ist von langen, tiefroten Dünen geprägt, bewachsen mit niedrigen Sträuchern und Spinifexgras. Dazwischen gleißen Salzpfannen in der Hitze. Der unerbittliche Wind bemüht sich die Dünenkämme zu bewegen. We den Mund nicht schliesst endet mit einer Ladung Sand zwischen den Zähnen. Immer wiedermal gibt das Land einen kurzen Blick aufs Meer frei. Wer nach einsamen Stränden und isolierten Buchten sucht, nach abgelegenen Fleckchen zum Baden, Schnorcheln oder Angeln, der ist hier richtig. Bis hinauf zum Kap Peron.
Ein robustes Fahrzeug ist ein Muss, um sich in den isolierten Nationalparks von François Person und Dirk Hartoog zu verlieren. Die Region ist ein ernsthafter Anwärter auf den Titel Sonnenbrand und Hitzschlag-Hölle. Ein Land voll wilder, nach Schweiß riechenden Männern mit langen Haaren, ungepflegten Bärten, und Sunblocker, mit weitkrempigen Hüten, viel zu engen UV-Hemden und löchrigen Shorts. Aber man ist ja unter sich. Solange Treibstoff, Bier und Angelköder nicht ausgehen ist alles im Lot.
Monkey Mia markiert das Ende der Teerstraße. Der letzte Außenposten der Zivilisation. Eine Ferienanlage zieht die Leute hierher. Affen (Monkeys) gibt es hier keine. Nur professionelle Geschäftemacher. Zugegebenermaßen, ist das warme Meer wunderbar. Flach. Kaum Wellen. Ein sicheres Fleckchen, um Kind und Kegel zu abzuladen.
Wir haben unser Lager unter einem winzigen Baum aufgeschlagen. Der Boden ist kochend heiß. Geeignet um sich Warzen von den Füssen zu brennen. Ungeeignet zum barfuß gehen. Oder um Turnübungen zu veranstalten. Beim Sonnengruß verbrennt man sich trotz Yogamatte die Eier!
Ausserdem ist der Boden steinhart. Heringe in denselbigen zu treiben, ist ein frustrierend, schweißtreibendes Unterfangen. Ein Presslufthammer wäre super. Aber den haben wir zu Hause vergessen. Wer denkt auch an sowas. Stattdessen bearbeiten wir den Boden mit Hammer und Stahlstange. Zuerst haut man eine flache Mulde. Die wird mit Wasser (Urin?) gefüllt. Das weicht den Boden auf. Nach ein/zwei Stunden lassen sich Heringe hinein treiben. Wenn nicht, Prozedur wiederholen und verbogene Bolzen ins Altmetall entsorgen. Gut, dass wir genügend Bodenanker setzen können: Der Wind nimmt am späten Nachmittag gewaltig zu. Er zerfetzt alles was nicht niet- und nagelfest ist. Selbstredend heisst das auch, daß wir in dem Sturm unsere Kochzeile nicht nutzen werden. Nur gut, dass es in Park eine große Camp-Küche gibt. Hier halten wir uns die nächsten Abende auf.
Frage: Warum tut man sich das an? Delfine! Monkey Mia hat eine spezielle Verbindung zu den Tieren. Sie schauen regelmäßig vorbei. Und lassen sich von begeisterten Resort-Gästen füttern. Das Ganze ist von Rangern sorgfältig orchestriert. 50 bis 100 Touristen am Strand. Eine Handvoll Delfine im Wasser. Und wenige Leckerlies. Man will die Tiere ja nicht vom Füttern abhängig machen. Momentan scheinen die Delfine anderweitig interessiert zu sein. Die letzten Tage haben sie sich rar gemacht. Vermutlich gibt es ergiebigere Fanggründe abseits der Touristenstroms.
Aber wenn sie dann mal anlaufen, ungeplant, und ahnungslos Badende beäugen, dann ist das was ganz Besonderes. Alles kommt zum Stillstand. Mit Ausnahme der geselligen Kreaturen. Im Wasser hält man den Atem an. Es könnten ja verkleidete Haie sein. Wanderer sammeln sich leise am Strand, Kameras bereit, man weiß nie, was hier gleich passiert (meine ist im Zelt). Ich finde einen Platz im nassen Sand und beobachte. Eine Familie von zwölfen schwimmt um die Badenden, taucht zwischen ihnen hindurch, schaut sich die Leute ungeniert an. Bis auf ihr Atmen ist es mucksmäuschen still. Ob sie sich unter Wasser Zeichen geben? Vielleicht einen Plan aushecken? Oder ist es ihr Sonntagsausflug in den Zoo: Leute angucken?!? So geht es eine Ewigkeit. Ich frage mich ernsthaft, wer wen beobachtet.
Schließlich ziehen die Delphine weiter und Olli und ich platschen am Strand zurück ins Camp. Er paddelt. Ich mache den Emu und stelze langbeinig durch die flachen Wasser. Wir schrecken Stachelrochen auf und Hunderte anderer winziger Fischchen. Das Meer ist mild während der Sand bei 40 Grad glüht. Die letzten hundert Meter hechten wir auf Zehenspitzen zurück in den kühlen Schatten.
Aber ich kann mich nicht vom Meer fern halten. Zurück gehts, ausgerüstet mit Riffschuhen (dieses Mal ohne Brandblasen) und mit Schnorchelausrüstung. Ich schwimme den Strand entlang, an Pelikanen vorbei, und finde umgeben von denselben winzigen silbrigen Fischchen. In endlosen Kreisen flitzen sie um mich herum. Hunderte! Ab und zu ändern alle schlagartig die Richtung. Um nicht schwindelig zu werden? Ein paar bunte Exemplare benutzen mich als Unterschlupf. Ich finde sie zwischen meinen Beinen, in den Achselhöhlen und unter meinen Händen. Sobald ich mich bewege, ändern sie ihre Position. Ein endloses Versteckspiel. Paradiesisch.
Während Delfine rar sind, die Emus sind es nicht. Sie patrouillieren tagsüber zwischen Wohnwagen und Zelten. Gefolgt von ihrem schelmischen Nachwuchs. Campingutensilien werden untersucht und dann verstreut, Essen- und Abfallbehälter geplündert. Überall wird hingeschissen. Der Obrigkeit, der Hundemeute der Urlauber, zollt man keinen Respekt. Emukids scheinen genau zu wissen, wie lang die Leinen der Kläffer sind. Und sie wissen, dass man sie sowieso nicht belangen kann. Statt Platzverweis, oder gar Umsiedelung gibt es allenfalls Flüche. Die Ordnungshüter haben kein Mitspracherecht. Soviel sie auch knurren und bellen, letztendlich behalten die Mega-Hühner die Oberhand. In Monkey Mia gibt der Mob den Ton an.
Wegen der Hitze verlegen wir unsere Spaziergänge ins Morgengrauen und den späten Abend. Die Küstenlinie ist dann besonders atemberaubend, die horizontnahen Strahlen auf dem Ozean schiere Glückseligkeit. Jenseits des Resort regiert die Wildnis. Blutrote Dünen, Büsche und Gräser. Ab und zu Spuren von Eidechsen und Vögeln, die hier nach Nahrung suchen. Sonst niemand. Zwischendurch, immer wieder der Blick auf die Wahnsinnswasser von Shark Bay. Übrigens haben wir trotz des Namens, Hai Bucht, bislang keine gesehen. Stattdessen lugt da ein Kopf aus einem nahen Busch hervor. Ein Emumann mit seinen süßen kleinen Küken. Er ist von uns nicht beeindruckt. Wütend sträubt er seine Nackenfedern, und rennt, den Kopf gestreckt, wie ein Turnierritter, auf uns zu. So putzig es ist, wenn Emus laufen, mit dem Schwanz, der wie ein Pompom auf und ab wippt, so einschüchternd ist das hier. Oh Gottogott. Nur weg! Und auf der Flucht nicht aus den Adiletten kippen. Von dieser Begegnung gibt es ebenfalls keine Fotos.
Am Morgen erkunden die Westküste unserer Halbinsel. Kurz vor Denham gibt es eine kleine Lagune. Es ist noch erträglich und wir wagen einen Spaziergang an seinem flachen Ufer. Ein Kitesurfer zieht bereits seinen Bahnen. Fabelhaft! Unsere Töle ist aufgeregt. Er hüpft wie ein Känguru durchs Wasser. Ich weiß, wie das endet. Wenn er so aufgewühlt ist, ist alles super spannend. Jede Welle. Jeder Sonnenstrahl. Jede Bewegung. Während er kopflos los jagt, jage ich hinterher. Flip-Flops und Kamera unterm Arm. Das Wasser spritzt. Und jetzt hurtig, wer weiß, wo er sonst noch landen wird. Haben wir alles schon mitgemacht. Am Ende bringe ich ihn dazu, sich umzudrehen. "Was willst du? Ich habe eine tolle Zeit!" "Ich auch", krächze ich. Die Leine ist bei Paul. Ich greife ihn am Kragen, und gebückt machen wir uns auf den Weg zurück. Zum Auto, dass nurmehr ein Punkt am Horizont ist. Super!
Im Gegensatz zu Money Mia ist Denham ein richtiges Schätzchen mit Hafen, Shops, Cafés und sogar Restaurants. In der Bäckerei gibt es Long Johns. Das sind längliche Donuts, gefüllt mit Sahne und Marmelade. Frisch gebacken, sind sie absolut köstlich. Nicht besonders gesund, aber als Früstück am Strand unschlagbar!
Danach besuchen wir das Shark Bay Wold Heritage Discovery Centre. Das Museum und Informationszentrum zeigt die Geschichte und Bedeutung der Region. Klanglandschaften, historische und zeitgenössische Filme, interaktive Displays und Objekte nehmen einen mit auf eine erstaunliche Reise durch Raum und Zeit.
Was macht Shark Bay so besonders? Im Süden ist es Heimat prähistorischer Stromatolithen. In grauer Vorzeit haben sie den ersten freien Sauerstoff erzeugt. Als Stoffwechselabfall. “Hast Du gerade gepupst”’ empört sich der eine Stromatolith, während sein Nachbar nur grinst. “Das ist Qualitätssauerstoff!” “Mit Deinen Blähungen wirst Du uns noch alle umbringen”, stöhnt sein Kumpel. Und das ist die Basis modernen Lebens.
Daneben besticht Shark Bay durch eine der ausgedehntesten Seegraswiesen weltweit. Sie macht die Fülle von Meeresbewohnern hier erst möglich. Dazu gehören unzählige Fischarten, Haie, Rochen, Delfine, Dugongs, Schildkröten und auch Wale. Trotz der Biologischen Bedeutung ist das angrenzende raue Land sich selbst überlassen. Es gibt kaum dauerhafte Siedlungen. Ausser Salzgewinnung und Tourismus hat sich hier keine Industrie halten können. Von letzterem spielt sich das meiste in den riesigen Nationalparks ab, zugänglich nur für die härtesten Charaktere und mit ebensolcher Ausrüstung. Schlecht vorbereitet verschwinden auch heute noch Besucher auf Nimmerwiedersehen. Flucht ist unmöglich, die Natur wild und ungezähmt, wo tiefroter Sand und Seilklippen, wo die Wüste auf den türkisfarbenen Indischen Ozean treffen, der bis zum Rand mit Leben gefüllt ist!!!
Die nächste Episode führt in die Hügel westlich von Perth: Erwachende Flüße , Possum Magie und verwegene Zwerge. Auf keinen Fall verpassen! Am besten heute noch unseren Blog abonnieren. Voll gestopft mit Staunenswertem. Kostenfrei. Und ohne Werbung. Garantiert. Man sieht sich Downunder, Eure Alten Säcke!
Reisenotizen
Entfernungen
Von Dongara / Port Denison
nach Tenindewah via Mingenew - 107 km
nach Nabawa (Chapman Tal) - 213 km
nach Northhampton - 248 km
nach Hamlin-Pools (Stromatoliten) - 487 km
nach Denham - 603 km
nach Monkey Mia (Shark Bay) - 620 km
Nützliche Links
Mingenew Bäckerei (https://www.facebook.com/mingenewbakery/?ref=aymt_homepage_panel)
Tenindewa (https://tenindewa.com)
Chapman Tal (https://www.chapmanvalley.wa.gov.au/visit-chapman-valley/what-to-do/attractions.aspx)
Shark Bay Besucherzentrum und Museum (https://www.sharkbayvisit.com.au)
Hamelin Pool & Stromatolites (https://www.sharkbay.org/place/hamelin-pool/)
Shark Bay (https://www.sharkbay.org)
Übernachtungsmöglichkeiten
Tenindewa - siehe WikiCamps
Horrock Beach Caravan Park (https://summerstar.com.au/caravan-parks/horrocks-beach)
RAC Monkey Mia Dolphin Resort (https://parksandresorts.rac.com.au/monkey-mia/)
Reisetipps
Shark Bay wird im Sommer richtig heiß. Und windig. Frühling und Herbst sind auf jeden Fall die besseren Jahreszeiten um die Gegend zu erkunden, der Herbst um Baden oder Schnorcheln zu gehen. Die Schulferien sind hektisch und laut. Wer kann, sollte diese vermeiden.
Wer plant hauptsächlich auf Campingplätzen zu übernachten tut gut daran, seinen Urlaub zu planen. Buchen ist in der Hauptreisezeit unbedingt zu empfehlen. Und wer sich mit einer Mitgliedschaft in einer der führenden Wohnwagenpark Gruppen wie G’Day Parks, RAC, Big4 oder anderen anfreunden kann, kann gegen ein geringes jährliches Entgelt bis zu 10% sparen. Mehr Tipps hierzu via: https://allaroundoz.com.au/2020/12/11/caravan-park-membership/
Nicht vergessen
Schuhe - Wer heissen Sand, scharfe Steine over groben Kiesstrand erwartet tut gut daran sich mit ein paar Riffschuhen auszustatten. Sie sind wasserfest und trocken auch schnell wieder. Für einen brandblasenfreien Urlaub!
Schnorchelausrüstung - Wir haben uns ein paar praktische Vollmasken angeschafft. Sie deckt Augen, Mund und Nase ab. Superweites Gesichtsfeld. Der Schnorchel ist in die Maske integriert. Sogar mit Bart schnorchelt es sich easy. Als Flossen habe ich ein paar kurze erworben. Einfach zu verstauen und auch für Schwimmbäder geeignet.
Windschutz - Mit einem akkubetriebenen Bohrschrauber hätten wir ein wesentlich leichteres Leben gehabt. Aber sowas sagt einem ja vorher niemand! Und damit der Wind einem nicht das Zelt um die Ohren haut, gehen damit lange, robuste Schrauben oder entsprechende Stahlheringe einher.
Sonnenschutz - Sonnenkreme, Sonnenbrille, Hut, langärmelige, leichte Klamotten.
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