Nach einem Jahr Pause folgen wir wieder dem Ruf der Straße. In unserer Aufregung haben wir die Entfernungen in Westaustralien unterschätzt. Geraldton, die nächstgrößere Stadt, ist „nur“ 950 km entfernt.
Wie sich daraus ein Kurzurlaub von 4.500 km entwickelt hat, ist mir immer noch ein Rätsel…
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Der Reiz von Geraldton? Aldi, Bunnings, BCF, Illegal Tender Rum und mehr als nur ein Café oder Restaurant. Das macht das Outback mit einem – man freut sich über die kleinen Dinge des Lebens.
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Wir entkommen Newman am späten Montagnachmittag und schaffen es bis zum Kumarina Roadhouse. Das Camp neben dem Highway ist nicht der schönste Ort. Aber weit genug entfernt von Zivilisation und Arbeit. Und während die Sonne untergeht, lassen auch der Verkehr und das ständige Summen der Fliegen nach.
Der nächste Abschnitt ist öde. Es ist mit mehr als 40 Grad zu heiß zum Erkunden. Außerdem haben wir nicht die Zeit, der Region die nötige Aufmerksamkeit zu schenken, die sie sicherlich verdient. Entsprechend langweilig is Meekatharra. Es ist das Verwaltungszentrum des gleichnamigen riesigen Landkreises und das war's. Die alten, kolonialen Gebäude wurden durch Container und Fotos vergangener Zeiten ersetzt. Café mit Stil? Dafür gibt es am Ortsausgang zwei Raststätten oder die an der Hauptstraße geparkte Fressbude. Super!
Die winzige Stadt Cue hingegen glänzt immer noch in altem Pioniercharme. Die Hauptstraße versetzt einen in eine Zeit, in der eisgekühltes Bier selten und Truthahn aus der Dose zu Weihnachten noch aufregende Innovation waren. Die “Queen of the Murchison”, eine traditionsreiche Kneipe, ist heute ein B & B mit nettem Café. Hausgemacht und charmant. Original Kolonialmöbel findet man im Gemischtwarenladen nebenan. Es gibt sogar einen Flying Fox, eine Miniseilbahn, mit der auch heute noch Wechselgeld und Belege vom Tresorraum quer durch den Laden zur Kasse segeln.
Wie in so vielen Outbackstädten nagt auch an der alten Dame Cue der Zahn der Zeit. Fassaden sind brüchig, Fenster und Türen vernagelt. Bloß nicht dagegenlehnen oder zu heftig atmen! Cue weiss, dass sie ein neues Herz braucht. Trotzdem weigert sie sich kurzatmig und hartnäckig, die Weltbühne zu verlassen. Wir werden wieder vorbeischauen, wenn es kühler ist.
Mount Magnet. Zeit, vom Great Western Highway Richtung Ozean abzubiegen. Mt. Magnet ist etwas lebendiger als die Orte, durch die wir bislang gekommen sind. Es liegt strategisch an der Kreuzung zwischen Küste und Outback und das macht sich bemerkbar. Perth und Geraldton sind leicht zu erreichen und das macht die Stadt auch für Wochenendtouristen attraktiv.
Etwas weiter westlich wird ein alter Minentunnel als Übernachtungsplatz angeboten. Die Schilder zum Joker-Tunnel in Yalgoo sind so zuverlässig, wie es der Name andeutet. Was wir stattdessen finden, sind stillgelegte Gleise mit Wasserturm aus einer Zeit, als Yalgoo und Mt. Magnet noch per Eisenbahn mit der Küste verbunden waren. Die meisten Reisenden waren damals vierbeinig. Sehenswert ist auch die Ruine der Kapelle der Heiligen Hyazinthe. Atemberaubende Aussicht, tolle Architektur. Nicht von dieser Welt (vielleicht mexikanisch?)!
Mullewa ist ebenso beeindruckend. Es ist eines der Tore zur weltberühmten Wildblumenregion von Westaustralien - aber dazu sind wir ein paar Wochen zu spät. Stattdessen stolpern wir in die Kirche Unserer Lieben Frau von Monsignor John Hawes, der auch die Kapelle in Yalgoo gebaut hat. Er wird zum ständigen Begleiter auf der ersten Etappe unserer Reise. Während seiner 25 Jahre in Australien plante er 44 Kirchen, von denen satte 28 gebaut wurden.
Unsere Liebe Frau sieht sehr handgemacht aus, spanisch im Stil mit massiven Wänden und gedrungenem Dach. Hawes baute die Kirche selbst aus Material, das er auf benachbarten Feldern und Wiesen fand. Eine echte Arbeit des Herzens. Mit Platz für 50 bis 100 Personen ist sie nicht übermäßig groß. Aber in den frühen 20er Jahren war das bereits eines der größten Gebäude im Staat. Die importierten Statuen von Jesus und den Heiligen im Kontinentalstil wirken fehl am Platz. Könnte die katholische Kirche ohne sie auskommen? Vermutlich nicht.
Zu Hawes’ Zeit waren Ureinwohner in Kirchen unerwünscht, und so baute man ihnen einen Altar auf einer nahegelegenen Koppel für Gottesdienste im Freien.
Die Kirche Unserer Lieben Frau ist immer noch das Zentrum der Bevölkerung von Mullewa und der örtlichen Schule.
John Hawes war ein kurioser Kerl. Er wurde in England in eine wohlhabende Familie geboren. Anstatt der Familientradition in Recht zu folgen, studierte er Architektur und Theologie. Dann folgte er seinem Idol, dem heiligen Franziskus, und führte auf den Straßen Englands ein Leben in Armut. Nach einer kurzen Missionarzeit auf den Bahamas wanderte er 1911 in die USA aus. Mehrere Jahre lang war er als Eisenarbeiter unterwegs. Mit wenigen Ersparnissen begab er sich nach Rom und wurde schließlich 1915 zum katholischen Priester geweiht. Der Bischof von Geraldton mochte die Ideen des jungen Mannes und lud ihn nach Westaustralien ein, wo er als Priester, Architekt und Baumeister arbeitete. Hawes wurde als locker und pragmatisch beschrieben und war sehr beliebt. Meist reiste er in Begleitungs seines Hundes per Zug, Wagen und Pferd durch seine riesige Gemeinde. Seine Reitkünste waren legendär, er gewann sogar mehrere Pferderennen. Sein Pferd war übrigens nach Hawes’ Freundin aus Teenagerzeiten benannt. Ich sehe viele Parallelen zu meinem eigenen Leben und hätte diesen Mann gerne getroffen.
Hawes lebte später als Einsiedler auf den Bahamas, wo er 1956 auch starb.
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Wir beschließen den Tag am Salzsee in Tenindewa. Alles ist voller Blumen, was für ein schöner Ort! Die Nachbildung eines alten Schulhauses befindet sich nur wenige Schritte von unserer Bleibe entfernt. Die winzige Holzhütte wurde 1914 mit Wellblechdach und Wände aus Sackleinen gebaut. Der Stoff hält die Fliegen fern und (laut Paul) - mit Wasser besprenkelt - das Innere kühl - natürliche Klimaanlage. Um zur Schule zu gelangen, mussten die Kinder den See überqueren. Da unpassierbar bei Regen, bauten die Eltern einen Pfad aus Feldsteinen quer durch den See, so dass die Kleinen nicht mehr im salzigen Schlamm stecken blieben. Nette Geschichte und ein oder zwei Fotos wert.
Die Nacht ist kühl mit 13 Grad. Wieder im Auto folgen wir der Eisenbahnlinie in Richtung Küste. Die von Dürre geprägte Landschaft weicht Feldern mit üppigem Getreide. In Kojarena besuchen wir St. James, eine weitere Kirche von Hawes. Winzig!
Sie befindet sich auf einem Grundstück, das der Kirche von einer frommen irischen Familie nebenan gespendet wurde. Das war in den 1920er Jahren. Nach jahrzehntelangem Verfall kursierten Gerüchte, die Kirche würde die Kapelle verkaufen und letztere in eine Residenz umgewandelt. Das rief die 48 Enkel der ursprünglichen Familie auf den Plan. Sie kauften und restaurierten die Kapelle liebevoll. „Keiner von uns ist Kirchgänger. Aber dieses Familienerbstück hat uns wieder zusammengebracht “, sagte die Dame im Hawes‘ Center & Museum in Geraldton. Es stellt sich heraus, dass sie eines der rund 20 überlebenden Enkelkinder ist. Die Kapelle wird heute für Hochzeiten und Familientreffen genutzt. Wow!
Hawes’ Kathedrale in Gladstone ist beeindruckend. Die romanische Basilika kauert in der Landschaft. Sie ist weitaus förmlicher als das Gegenstück in Mullewa und dennoch wunderschön in ihrer Strenge und Stärke. Kein Schnickschnack, alles hat seinen Platz. Die dunkelblaue Decke im Eingangsbereich ist mit winzigen goldenen Sternen verziert, eine überraschend persönliche Note.
Frühstück gibt’s im kleinen Container-Restaurant, Jaffles, direkt am Strand (der Kaffee ist ein Killer!). Passt gut in den Küstenpark mit seinen verrückten Kunstwerken. Die öffentlichen Toiletten sind als Rubick Würfel verkleidet. Die nahe gelegenen Ilgarijiri-Eier sind eine Homage an die Ureinwohner und den Emu, der als Sternbild ihren Nachthimmel ziert. Gladstone verbindet hervorragend Geschichte und modernes Stadtleben!!!
Um die Ecke befindet sich Bellington Park mit der Horizont Statue, einer massiven Kristallkugel für die berühmt-berüchtigten Sonnenuntergangsfotos.
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Auf einem nahegelegenen Hügel befindet sich eine Installation, die an den Untergang der HMAS Sydney II vor der Küste im Jahr 1941erinnert . Paul und die arme süße Dame auf dem Foto warten immer noch auf die Rückkehr der Seeleute. Die 639 Möwen des Denkmals repräsentieren die Seelen derer, die jetzt in ihrem 2.400 Meter tiefen, salzigen Grab ruhen.
Gen Mittag verlieren wir uns im Wonda Bake House, aus dem wir Stunden später glücklich und mit Sahne im Gesicht wieder auftauchen. Am Abend schauen wir uns im Kino den Australischen Film “Rams” an - und beenden den Tag im Snazzy Cafe & Kebabs. Hmmm…
Am nächsten Morgen sind Ausschlafen und dann Social Media angesagt. Wir können es ruhig angehen lassen. Die Rum Fabrik “lllegal Tender” öffnet erst gegen 9 Uhr morgens – hoffen wir zumindest. Covid19 hat den Tourismus ziemlich auf den Kopf gestellt: Touren und Attraktionen finden entweder zu anderen Zeiten oder überhaupt nicht mehr statt. Die Fabrik befindet sich in Port Denison, etwa 60 km die Küstenstrasse hinunter. Auf dem Weg biegen wir in ein altes Gehöft ein, das heute ein Museum ist und halten Ausschau nach den schiefen Bäumen von Greenough. Geraldton ist als die windige Stadt bekannt, wo sich selbst jahrhundertealte Eukalyptusbäume vor den Elementen verneigen.
Illegal Tender ist beeindruckend: Ein winziges Familienunternehmen, in dem noch alles von Hand gemacht wird. Der Duft in der Anlage ist unglaublich. Der Rum basiert auf Rohrzucker, was ihn unvergleichlich geschmeidig macht. Die Ausbeute ist etwas geringer, was aber durch den geringeren Ausschuss an unerwünschten Beiprodukten wettgemacht wird. Letztere machen die Nachbarkühe glücklich. Sie dürfen die Reste des ersten Destillationsprozesses schlürfen. Nach einem zweiten Lauf wird der Alkohol in Eichenfässern gelagert und hier vollzieht sich die wunderbare Metamorphose: Während der Rum die Aromen aus den Fässern zieht, verdunstet ein kleiner Teil durch das Holz. Der Prozess hinterlässt ein schwarzes Harz, das geerntet und verkauft werden sollte: Manncreme - im Ernst! Man will sich ständig an den Fässern reiben., so gut riecht’s! Da wir nur vier Besucher sind, dauern Tour- und Geschmackstests wesentlich länger als erwartet. Aber was soll’s, wir haben Urlaub. Und so fühle ich den Rum, seinen würzigen Bruder, Spiced Rum, und Väterchen Gin durch meine Adern ziehen. Der Name Illegal Tender bezieht sich auf eine Zeit, in der der Staat es untersagte, Arbeiter in Alkohol zu bezahlen. Zu dumm…
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Auf dem Rückweg suchen wir für den Campinanhänger ein neues Stützrad. Wir hatten eines bestellt, aber es ist in Geraldton nie angekommen. Mit Entschuldigungen werden wir an ein anderes Unternehmen weitergeleitet. Stellt sich heraus, dass das bestellte Teil eh zu groß gewesen wäre und das passende Modell sehr viel günstiger ist. Musste von einem örtlichen Mechaniker leicht modifiziert werden. Aber ansonsten alles gut. Die Leute in Gladstone sind wirklich nett und hilfsbereit!
Anbei einige Bilder von Pt. Moore und dem Leuchtturm – gleich um die Ecke von unserem Campingplatz.
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