Ausgerüstet mit Leckereien aus dem Wonda Bake House nehmen wir den North West Coastal Highway in Richtung Tropen. Ein klarer, schöner Tag nach dem Sturm und Regen der letzten Nacht!
Northampton ist nicht weit weg. "Geschichtenerzähler – Bewahrer der Träume”, unsere Broschüre verspricht ein herausragendes Tourismuserlebnis der Aborigines – und dann ist niemand da. Wie enttäuschend! Die kleine Stadt selbst ist süß mit einladenden Cafés, Infozentrum, Museen und bunten Schafen, die die Straße entlang rennen. Es ist eingebettet in sanft rollende Getreidefelder. Riesige Sanddünen blockieren den Zugang zum Meer, die weiter die Küste rauf Klippen weichen.
Die Hutt Lagune ist fast um die Ecke. Eine schmale Landzunge trennt sie vom Indischen Ozean. Grundwasser speist die Lagune langsam, aber stetig und verdunstet ebenso schnell. Dunaliella Salina Algen lieben die warme, salzige Umgebung. Und wir lieben die Algen. Sie erzeugen die erstaunlichen Rosatöne, für die der flache Salzsee berühmt ist. Das ist schon etwas! Und ausgesprochen ruhig. Ein Gläschen Sekt ist der Blick schon wert!
Eine halbe Stunde weiter nördlich beginnt der Küstenteil des Kalbarri-Nationalparks. Fans der viktorianischen Küste mit ihren zwölf (oder so) Aposteln dürfen diesen spektakulären Teil der Welt nicht verpassen! Der Steilküstenweg zwischen Natural Bridge, Island Rock, Castle Cove und Grandstand Rock Gorge ist atemberaubend und bietet spektakuläre Ausblicke! Die Brise angenehm. Offenbar haben wir die Sonnenstrahlen unterschätzt. Paul bezahlt es später mit einem Gesicht, das leuchtet wie die umwerfende Landschaft.
Kalbarri selber ist ein wunderschöner Ort an der Mündung des Murchison Flusses (nach dem ist auch die Kneipe in Cue benannt – siehe letzter Bericht). Wie sauber und ordentlich alles ist! Eine Sandbank schützt den Fluss vor dem Meer und bietet malerische Liegeplätze für die vielen Boote. Wir können von dem Ort gar nicht genug bekommen. Nebenbei halten wir Ausschau nach dem legendären Gorges Café am Hafen. Es gibt doch nichts Schöneres als einen eisgekühlten Latte Macchiato an einem heißen Sommertag!
Übrigens ist es nicht nett, ausgelacht zu werden. Wer nach einem Bootsausflug in den Sonnenuntergang fragt, erlebt aber genau das. Alle Touren sind ausgebucht. Theoretisch ist Nebensaison. Wir haben nicht berücksichtigt, dass zur Zeit niemand den Staat verlassen kann! Positiv: Wir müssen jetzt nicht mehr in einem der überfüllten Caravan-Parks in der Stadt übernachten.
Erfrischt fahren wir weiter nach Galena, einem freien Camp am Fluss. Die 80 km sehen auf der Karte gar nicht so weit weg aus. Und am nächsten Tag sind es 80 km zurück, in den Nationalpark. Das Camp ist einladend. Aber ich spüre Genervtheit in Pauls Stimme. Während er im Dunkeln glüht, nimmt ihn seine Erkältung ziemlich mit. Die Zeit und die Ruhe dieses Ortes helfen, hoffe ich.
Wir schlagen unser Lager auf und brauen ein Käffchen. Während Paul sich ausruht, erkunde ich die Umgebung, die alte Brücke und die Fundamente der 100 Meter entfernten neuen Konstruktion. Sehr schön! Das Wasser ist klar, aber irgendwie krautig, nicht sehr einladend – man weiß nie, was im Schatten lauert.
Später testen wir unsere neuen Spielzeuge OM4 und Mavic Pro. Einige der Ergebnisse haben Einzug in diesen Blog gefunden. Ziemlich aufregend!
Das neu eröffnete Kalbarri Besucherzentrum ist etwas ganz Besonderes: Eine elegante Verschmelzung von Ingenieurskunst und indigenen Weltanschauungen. Das Zentrum befindet sich am Rande der alten Murchison-Schlucht. Zwei Gehwege ragen 17 Meter über den Rand der Schlucht hinaus und schweben 100 Meter über dem Fluss. Die Aussicht ist spektakulär! Nicht nur auf das riesige Tal. Auch auf die gewaltigen Mengen weggeblasener Hüte.
Die Geschichte des Parks reicht 400 Millionen Jahre zurück. Er wurde von einem Vorfahren des heutigen Murchison gebildet, der die ersten Täler bis aufs Grundgestein ausschürfte. Als der Meeresspiegel anstieg, wurde er dick unter Sedimenten begraben. Die tektonischen Kräfte, die dann das Land hoben, müssen immens gewesen sein. Vertikale Risse bildeten sich, ablaufendes Wasser folgte und schleifte den Sandstein zurück zum alten Grund, unterspülte Sedimente und schuf die Formationen des Parks wie Loop und Z-Bend mit ihren dramatischen Klippen.
Die alten Felsen erzählen von Äonen des Wandels, aber auch der Beständigkeit, gemessen an menschlicher Lebensdauer. Die Schluchten waren zuverlässige Quellen für Wasser, Nahrung und damit für das Urvertrauen in diese Region. Die Ureinwohner spüren das auch heute noch.
Es ist die Grundlage ihrer intimen Beziehung zum Land. Ich bezweifle, dass ich diese intensive und tiefe Verbindung zu meiner Heimat Norddeutschland habe. Und wenn ja, zu welchem Teil: Dem östlichen Hügelland oder den westlichen Marschen? Wenn zu Hause dort ist, wo das Herz ist, wird es keines von beiden sein. Ich verspüre das Bedürfnis, mich zu zentrieren und wieder aufzuladen, aber wo? Indigene Völker tun dies regelmäßig und besuchen Orte, die sie mit ihrer Kultur verbinden. Wie die Vorfahren vor ihnen wandeln sie durch die Räume ihres traditionelles Landes, generationen-alte Rituale nachspielend, und vertiefen so die Verbindung mit jedem Besuch. Ich spüre diese Einheit selten, habe stattdessen das Gefühl, dass ich immer woanders sein muss. Es existiert eine innere Leere. Hübsche Fotos füllen sie nicht wirklich: "Bin das ich auf dem Bild? War ich wirklich da?”. Es fühlt sich unwirklich an. Und dennoch existiere ich hier, Wochen später, schreibe, denke, fühle ich mich zurück nach Kalbarri. Verpasse ich die echten Momente auf dem Weg?
Der Skywalk ist atemberaubend. Wieder mache ich zahllose Fotos. Ich bin beeindruckt von der Technik und der Architektur. Riesige Mengen an Beton und Stahl fügen sich mühelos in die alte Landschaft. Wege und Kunstwerke erkunden das Erbe und die Kultur der hiesigen Ureinwohner. Statuen der aktuellen und vergangener Fauna scheinen sich auf einen zu stürzen. Reliefs sind liebevoll in die Wege eingebettet. Geschichten werden zu integralen Bestandteil der Struktur und nicht ein Nachgedanke. Ich liebe die Totempfähle und die Muster, die von ihnen auf die Wege fließen, Parkbänke zieren und die anderen Artefakte, die zum Sitzen und Zusammensein einladen. Erstaunlich gut gemacht! Kinder quietschen vor Freude, während sie Spinifexgras nach Dornenteufeln, Arthropoden, Quolls, Emus untersuchen. Es ist erstaunlich, wie selbst das Café die Kultur der Aborigines in Design und Produkten atmet. Gut gemacht, Westaustralien, vielen Dank für diesen traumhaften Ausflug in eine andere Erfahrungssphäre!
Etwas weiter die Straße hinunter befindet sich das bekannte Felsfenster. Wir müssen eine ganze Reihe von Besuchern schlagen, um dieses Wahrzeichen elektronisch einfangen zu können. Hinter der Formation beginnt der Klippenweg. Er ist wegen hoher Temperaturen und Erschöpfungsgefahr geschlossen. Wie schade!
Wir fahren weiter in Richtung Hawk's Head und schließlich zum Ross Graham Lookout, wo wir die Felsen zum Fluss runterklettern und endlich unsere Füße ins Nass senken/tauchen können.
Das Plateau, durch das die Schlucht führt, ist ebenso atemberaubend. Es erinnert mich an das Wallum-Land auf Fraser Island mit seinen niedrigen Sträuchern, Büschen und Millionen wilder Blumen. Die Vielfalt an Formen, Farben und Düften ist was ganz Besonderes. Einmal angefangen, ist es unmöglich, mit dem Fotografieren aufzuhören. Der Frühling beginnt hier einen Monat später als in den südlichen Teilen des Bundesstaates. Wir sind zur richtigen Zeit da.
Nach einer erholsamen Nacht machen wir uns auf den Weg nach Carnarvon, einer 6-stündigen Fahrt. Das Land wechselt von Weizenfeldern zu Sandsteinheiden und zu Halbwüste. Es ist erstaunlich, wie extrem sich die Landschaft verändert. Die Region sieht jetzt öde aus. Trotz Felskunst der anderen Art.
Südlich von Monkey Mia bestaunen wir im Stromatoliten-Pool eine uralte Gemeinschaft von Bakterien. Seit Anbeginn des Lebens auf dem Planeten leben sie in diesen warmen, hyper-salinen Küstentaschen. Sie sind der Grund, warum wir heute atembaren Sauerstoff haben. Der „Pool“ ist malerisch, besonders vor dem dräuenden Sturm. Ich habe Probleme, die Gewaltigkeit dessen zu erfassen, was wir hier gerade erleben. Ich nehme an, die Bakterien machen immer noch ihre Arbeit, irgendwo, versteckt unter unserem Spaziersteg, ohne dass wir es mitbekommen.
Carnarvon, Zivilisation! Die sympathische kleine Stadt zieht Touristen an mit alten Gebäuden, Wandmalereien und Straßenkunst. Die Esplanade am Meer ist hübsch und die alte Eisenbahnstrecke über das Wattenmeer einfach ein genialer Wanderweg. Nicht allzu beeindruckend hingegen sind das Ende der Trasse auf Babbage Island und der Leuchtturm. Ziemlich baufällig.
Offensichtlich fließt hier Geld spärlich oder ist anderswo dringender nötig.
Carnarvon ist einer der Hauptsitze der tropischen Obstindustrie in Westaustralien. Felder schmiegen sich an den Gascoyne Fluss. Er ist die meiste Zeit im Jahr trocken, enthält aber unterirdisch genug Wasser für romantische Badelöcher und zur Bewässerung von Bananen und Wein. Die meisten Farmläden haben ihre Saison bereits hinter sich. So sind die beste Option für frische Produkte die Tankstellen und der Markt am Samstagmorgen.
Zeit, sich vor dem Wind zu schützen und dem aufkommenden Regen. Der Zaun des Wohnwagenparks scheint eine gute Wahl zu sein. Außerdem gibt es heiße Duschen. Und die Möglichkeit, unsere Klamotten zu waschen.
Es ist Montag. Der Sturm ist einem schönen sonnigen Tag gewichen. Angenehme Temperaturen und eine leichte Brise.
Das gut beworbene Raumfahrtzentrum von Carnarvon ist ein wenig enttäuschend. Mit der weithin sichtbaren Satellitenschüssel hatte es in den 60ern eine besondere Funktion inne im Rennen um den ersten bemannten Flug zum Mond. Carnarvon füllte ein Lücke im weltumspannenden Komunikationsnetz. Wer wie ich eher ein Trekkie und kein Hardcore-Weltraum-Nerd ist, wird dieses Museum mit Tausenden von teilweise ganz schön abgefrackten Artefakten irritierend finden. Braucht dringend einen gründlichen Frühjahrsputz.
Wir durften in einer originalgroßen Weltraumkapsel liegen, den Countdown erleben und einer alten Radioansage zuhören! Jetzt bloß nicht furzen, sonst geht der Voluntär ein, der die Kapsel wieder aufmachen muss! Ohgottohgott…
Das Gwoonwardu Mia Gascoyne Kulturzentrum der Aborigines dagegen hat Stil. Es ist ein herrliches Gebäude mit einem Team, dessen Begeisterung ansteckt. Die Ausstellung selbst ist winzig, aber gut gemacht.
Das Zentrum ist die Heimat der „Dame der Grabenden Bienen” und ihrer Leidenschaft „Amegilla dawsoni“: Einmal im Jahr tauchen Tausende von Bienen aus dem Lehmboden flacher, trockener Seen auf. Männchen schlüpfen zuerst. Die größeren Majors patrouillieren die Hauptarena, die kleineren Minors konzentrieren sich auf die Randbezirke. Die Mädels schlüpfen später, graben eine neue Brutkammer in den lehmigen Boden und füllen sie mit je einem Tropfen Honig. Die Paarung ist kurz und heftig. Nachdem jeweils ein Ei gelegt ist, werden die Kammern versiegelt und das war’s. Nach drei bis vier Monaten sind die Larven groß genug, um sorgfältig ausgegraben und entweder roh oder über heißer Asche geröstet gegessen zu werden. Eine süße Köstlichkeit! Wir dürfen eines der Insekten streicheln. Die Flügel können eine Spannweite von bis zu 45 mm erreichen!
Renee, halb Aboriginee, halb Britin, führt uns durch den Garten und stellt uns Buschnahrung vor, z.B. die Blüte und Frucht der Grünen-Vogel-Blume. Sie erzählt uns persönliche Geschichten über ihren Kampf mit Krebs, Alkoholmissbrauch, häusliche Gewalt und Erziehungsprobleme. Wir erwähnen unseren nächsten Stop, den 240 km entfernten Kennedy Range Nationalpark. Es stellt sich heraus, dass es das Land ihrer Vorfahren ist.
Der Gebirgszug in Park spielte eine wichtige Rolle in Renees Genesung. Sie drängt darauf, dass wir vorbeischauen und ihren Vorfahren Respekt zollen sollen, so wie es Tausende von Generationen vor uns getan haben. Ihre Vorstellung davon, Verbindung mit ihrem angestammten Land herzustellen ist, unter offenem Himmel zu campen, barfuß durch den Busch zu laufen, während sie Meatpies (kleine mit Fleisch gefüllte Teigtaschen) mit Erbsenbrei isst. So würdigt sie gleichzeitig ihr Aboriginal Erbe und den britischen Teil in ihr. Ist es tatsächlich so einfach? Wenn ja, dann müssen wir Brezeln und Streuselkuchen mitnehmen!
Auf der Karte ist die Straße zum Kennedy Nationalpark unbefestigt. Es stellt sich heraus, dass wir bis Gascoyne Junction auf einer geteerten und die letzten 70 km auf einer ziemlich guten Schotterpiste entlang segeln können. Die Hügelkette ist abseits ausgetretener Touripfade, mitten im Nirgendwo. Und es ist den Besuch so wert!
Die Wabenschlucht (Honeycomb Gorge) übertrifft vieles, was wir bislang gesehen haben. Was für ein spiritueller Ort! Die Stille ist unglaublich. Es ist das erste Mal auf unserer Reise, dass ich mich geerdet fühle (auch ohne Brezeln und Streuselkuchen). Das Thema Verbindung zum Land kommt immer wieder durch: Fernseher, Telefon, Zivilisationsgeräusche, Licht und anderen Stress hinter sich lassen und die Füße in den warmen roten Sand graben. Ankommen. Ruhig werden. Weite und Stille in sich aufnehmen!
Wir schlagen unser Camp am Rand der Tempel Schlucht (Temple Gorge) auf, zelebrieren den Sonnenuntergang und können endlich die Stiefel ausziehen. Permanent. Zumindest für heute. Ein bisschen Didgeridoo spielen und die Einfachheit des Daseins genießen.
Sonnenaufgang: Der Temple Gorge Track führt uns bei Vollmond durch schattige Haine, ausgewaschene, trockene Flussbetten und steile Klippen zu einem versteckten Pool. Viele Ooohs und Aaahs auf dem Weg.
In einer Seitenschlucht finden wir ziemlich coole Felsformationen und unter dem trockenen Wasserfall noch mehr von den merkwürdigen Wabenstrukturen. Wie groß müssen die Bienen sein, die diese Waben gegraben haben? Wissenschaftler sind sich nicht einig, wie die Waben in den weichen Sandstein gelangen. Paul zufolge entstanden die Strukturen, als die Welt noch ein gigantisches halbgefrorenes Frappé war. Die Strukturen entstanden, als die Flüssigkeit mit einem Strohhalm genussvoll rausgeschlürft wurde und das gestossene Eis übrig blieb.
Die Wege sind uneben. Man muss sich konzentrieren. Eine exzellente Übung in Achtsamkeit.
Danach geht es die 80 Meter des Escarpment Trail auf das Plateau hoch über den Ebenen des Lyons River. Mein lieber Mann! Wenn das nur 80 Meter sind, bin ich total außer Form. Viel Keuchen und Schnaufen!! Zum Glück ist es noch früh am Morgen und angenehm kühl. Den Aufstieg macht man besser nicht in der Hitze des Tages.
Die Aussicht ist spektakulär. Könnte stundenlang hier sitzen und in die Ferne schauen. Danke, Renee, dass du darauf bestanden hast, hierher zu kommen
Wieder im Camp gibt es ein herzhaftes Frühstück und den Trip zurück an die Küste. Was für ein großartiger Ort – wert den “kleinen” Umweg!!!!
Von Carnarvon fahren wir Richtung Exmouth, 370 km gen Norden. Nach dem Gascoyne River Valley wird die Landschaft ziemlich unscheinbar. Minuten werden zu monotoner Endlosigkeit. Nicht viel Verkehr zum Ablenken. Nach Stunden biegen wir aufgeregt nach Coral Bay ab, der Küstenstadt, von der wir so viel gehört haben. Coral Bay ist winzig. Die Bucht scheint hübsch. Ein Wohnwagenpark nach dem anderen. Speckige Kerle mit Bier rülpsen ihre Kumpels an. Halbnackte Körper zucken zu Duff-Duff-Sound. Die Mischung aus Alkohol und abgestandenem Schweiß wirkt. Ich hätte meine Beine strecken wollen. Stattdessen wird das Auto aufgefüllt und wir flüchten. Oh Mann, wer hätte das gedacht!
Nur 150 km nach Exmouth – das schaffen wir jetzt auch noch!
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