Nach 3.5 Jahren in temporärer Unterkunft sind wir wieder am packen. Das Ziel ist Hervey Bay, Queensland, der Ort, den wir unser Zuhause nennen. Unsere Langzeitmieter ziehen aus und das gibt uns die Möglichkeit, Renovierungen und Upgrades durchzuführen. Aber das ist nur ein Teil der Geschichte. Denn an der Sunshine Coast wartet eine nigelnagelneuer Wohnanhänger auf uns.
Die Reise durch die Australiens Herz ist so aufregend wie die Aussicht, Freunde und Familie zu treffen. Der Plan ist, direkt durchs Rote Zentrum zu reisen. Einen Teil der Trasse kenne wir bereits und so bleibt viel Zeit zum Entspannen und zur Seelensuche. Die nächsten fünftausend Kilometer gehen via Uluru nach Winton und dann auf den Capricorn und Bruce Highways nach Hause. Wetter- und Straßenverhältnisse bestimmen Reisegeschwindigkeit und - route. Feinabstimmungen sind unvermeidbar. Und das ist ok. Die erste Hälfte führt uns von Australiens Westküste durch die Great Victoria und die Gibson Wüste nach Uluru.
![](https://static.wixstatic.com/media/194878_f8128436339944eea272a5ce058f5152~mv2.jpg/v1/fill/w_980,h_1124,al_c,q_85,usm_0.66_1.00_0.01,enc_auto/194878_f8128436339944eea272a5ce058f5152~mv2.jpg)
Packen, die Herausforderung. Alles muss in und auf Auto und Anhänger passen. Obwohl wir uns der Vergänglichkeit unserer Unterkünfte bewusst sind, schafft es unsere Ausrüstung immer, sich zu vermehren.
Phase Eins ist daher immer auf- und ausräumen. Loswerden, was man nicht braucht.
Phase Zwei ist das berühmte 3D-Puzzle, irgendwo zwischen Meditation und Wahnsinn. Man kann ja nicht einfach alles irgendwo hinschieben. Wer nicht auf wichtige Reiseutensilien oder Werkzeuge zugreifen kann, ohne unterwegs alles auseinanderzunehmen, hat ein Problem.
Phase Drei: Es gibt trotz aller Finesse immer Dinge, die einfach nicht passen wollen. Oder die das zulässige Gesamtgewicht des Gespannes sprengen. Und so nimmt man wieder alles auseinander, re-evaluiert und packt nochmals. Die Reste müssen dann bei der Abreise in unserem Kielwasser tanzen. Und das Alles während wir versuchen unsere Nachfolger in die Schuhe zu zwingen, die wir zurück lassen!
Ich hoffe, dass unsere Kollegen die Überbleibsel zu schätzen wissen… und mit Pipi in den Augen und einem irren Grinsen geht es los.
Hier das abschliessende Foto von unserer Zeit in Port Denison. Letzte Vorräte werden in Geraldton aufgestockt ("Ich kann sie nicht finden, die verdammten Fliegennetze!"). Und nach einem letzten Securitycheck, starten wir durch: Hasta La Vista, Babe!
Wir übernachten an einem Ort, den wir in den letzten Monaten lieb gewonnen haben. Den Salzsee von Tindewah. Atemberaubend. Nur 140 km von Port Denison, und bereits Welten von den letzten neun Monaten entfernt.
Wir richten unser Lager gegen Mittag ein und lassen uns auf einen von vielen eiskalten Bierchen nieder. Paul füttert die Ameisen mit Bremsen. Das ist sehr therapeutisch. O und ich erkunden derweil zum letzten Mal den Rand des Sees. Überraschend, wie matschig einige Abschnitte noch immer sind. Man sinkt ohne Vorwarnung in den Schlamm. Knöchel tief. Aber es stört mich nicht. Ich liebe diesen Ort einfach. Zum Abschluss noch ein Lagerfeuer und eine hausgemachte Mahlzeit auf demselben: Würstchen schmecken verraucht und leicht verbrannt einfach besser...
Als wir am Morgen unser Zelt abbrechen ist vom Tau noch alles feucht. Aber es ist ok. Auf Wiedersehen, alter Freund!
Nacht 1: Wir haben erst 140 km oder 2,5% unserer Reise zurückgelegt. Ich frage mich, ob ich eine Niere verkaufen muss, um für den Treibstoff bezahlen zu können - die Preise sind unglaublich!
Wir halten zum Frühsück kurz in Mullewa und dann geht es nach Yalgoo, Westaustralien's “Tor zum Outback”. Nicht zu weit weg, aber wir haben es ja nicht eilig. Unser Campingplatz ist Joker’s Tunnel. Er schmiegt sich zwischen eine Ansammlung kleiner Hügel. Mit herrlichem Blick auf den Noondie-See. Mitte der 1890er trieben ein paar Wahnsinnige einen Schacht durch den Fels. Von Hand. Getrieben von Goldduft. Aber ohne nennenswerten Erfolg. Der Tunnel folgt den Eingeweiden des Hügels. Eine gut gemeinte Abkürzung. Nur wohin? Von Armut zu Reichtümern? Zu Fledermausbehausungen? Zumindest der Wind hat seinen Spass und heult schaurig durch der Erde Schlund. Was für eine malerisch-haarsträubende Erfahrung!
Die Umgebung ist von Wildblumen bemalt. Es gibt schönen Wege, auf denen man sie sich zugänglich machen kann. Olli und ich klettern über Anhöhen, erkunden Nischen und Höhlen. Er schnüffelt rum, während ich die Einsamkeit in mir aufsauge. Niemand außer uns, die alten Säcke, Max das Auto und natürlich Olli. Und als der Tag sich verabschiedet, kuscheln wir uns um das Feuer und starren in die Wolken, die der Mond über das Firmament jagt. Dankbar für die tanzenden Flammen, das knistern der Holzscheite, die Wärme, die Stille und die Aufregung eines weiteren Tages in Freiheit.
Sanfter Regen setzt am Morgen ein. Genug, um den fernen See mit einen dünnen Film Wasser zu benetzen. Fabelhaft, wie es in den frühen Sonnenstrahlen glitzert. Der erste Toilettenlauf ist auch großartig. Aber nicht vom Timing: Die Fliegen sind bereits wach und Mücken noch nicht zu Bett. Sogar der Hund weigert sich, seinen gemütlichen Platz im Auto zu verlassen. Aber ansonsten ein toller Start!
Zurück im Cap überrascht mich Paul mit einer Dusche. Er leitet das Wasser von unserem Tank zu einer Handbrause um. An der Seite des Anhängers montiert wird sie zu einer willkommenen Erfrischung. Die Haut prickelt. Ich fühle mich lebendig, bereit für ein neues Abenteuer. Leider nieselt es beim Abbauen schon wieder. Wir packen schnell die feuchte Leinwand ein und ziehen weiter, auf der Suche nach dem einem trockeneren und weniger windigen Ort.
Nacht 2, 280km: Beindruckende Stille im Schatten von Jokers Tunnel
Die Landstraße gen Osten ist leergefegt. Wir halten in Mount Magnet für Diesel und etwas Knackiges zum Essen. Ich bemühe mich, immer das Positive zu sehen, aber heute ist es ein kalter, nasser, elender Ort. Das Wetter entzieht Allem die Farbe: den Truckies, die ihren fetten Wanst aus der aus Hosen hängen lassen, den Asiaten die im Supermarkt kein Wort verstehen wollen, dem mürrischen Maori an der Tanke, der es nur unter beachtlichem Kraftaufwand schafft Diesel und Nahrung für Kohle zu tauschen, und den übel gelaunten schwarzen Kerlen, die plötzlich von überall her auftauchen. Eine Stadt erbärmlicher, frustrierter, übergewichtiger Menschen. Während wir uns zähen Toasties zwischen die Zähne hauen, schaffen wir es, mit Austrack an der Sunshine Coast Kontakt aufzunehmen. Wir können den Termin für die Übergabe unseres Campers bestätigen. Juhu! Wir haben eine ganze Weile damit zugebracht, unseren guten, alten Wohnmobilanhänger gegen etwas altersgerechteres und wetterfesteres upzugraden. Das sind wirklich gute Nachrichten. Und das Kaff wird auch gleich um einige Schattierungen freundlicher.
Eine letzter Check der Wetter- und Straßenverhältnisse, und wir sind wieder unterwegs. Der Weg nach Sandstone ist eine anständige Teerstraße. Links und rechts von Mulgabüschen gesäumt. Gelegentlich niedrige Hügel. Und eine erstaunliche Anzahl von Rastplätzen. Ein paar von ihnen würden gute Übernachtungsstopps machen. Aber irgendwie haben wir uns auf Zivilisation und heiße Duschen versteift.
Sandstone ist eine winzige Stadt von 86 Anwohnern. Der Vollzeitgärtner hält Straßen und Parks in Form. Die anderen 85 wechseln sich mit den Jobs in Wohnwagenpark, Infozentrum, Gemeindebüro und Arztpraxis ab. Neben Holz- und Wellblechhäusern gibt drei wunderschöne, alte Backsteingebäude, die sämtlich zu verkaufen sind: Pub, Postamt und Tourismusbüro.
Nach einem Boxenstop im netten Black Range Café machen wir uns auf eine Runde durch die Stadt. Nach fünf Minuten stolpern wir über den legendären Wasserpark. In einer Region, die von chronischem Wassermangel gebeutelt wird. Wo Jungvolk rar ist. Kindergarten und Schule wurden bereits vor Jahren geschlossen. Da irritiert der Bau eines Wasserparks zur Stimulierung der Wirtschaft etwas. Aber vielleicht hofft man ja so die Einheimischen zur Fortpflanzung zu animieren. Ein stolzes Unterfangen inn einem Ort, in dem sich das Durchschnittsalter der Bevölkerung der Zahl der permanenten Einwohner gleicht. Enkel und Urenkel besuchen selten und die Handvoll Aborigine-Kinder machen da auch keinen Unterschied.
Die Besucher des Campingplatzes führen das Thema fort. Einem Altenheim gleich, gibt es in den Toiletten Schilder mit der Aufschrift "Verwenden Sie kein Talkpuder in der Duschkabine, es verstopft die Rohre” und "Spucken Sie nicht in das Urinal, da es den Abfluss nicht hinunterspült! Igitt!" Viele der Wohnwagen sind so greise wie ihre Besitzer. Sie werden durch Klebband und Gebete zusammengehalten. Und wenn das nicht mehr reicht, dann fährt man einfach nicht weiter. Beliebte Gesprächsthemen die Kraftstoffpreise (ins Vergleich zur Rente), die langen Strecken im Outback (im Vergleich zum Harndrang), die Gemeindeschwester, die nur einmal pro Woche Hof hält, und der fliegende Arzt, der nur alle drei Wochen besucht. Da muss man Herzinfarkt und andere Notfälle gut planen. Kein Wunder, dass die Einheimischen, die es sich leisten können, packen und nach Perth ziehen.
Eine weitere Stadt vor dem Aus? Es ist schwer, sich vorzustellen, was es bedeutet, wenn ein 90,000 Quadratkilometer grosser Landkreis weder Laden, noch Pub, oder medizinische Versorgung haben. Und das ist kein Einzelfall. Ein Stimuluswasserpark? Wow! Da halte ich es wie Asterix bei den Schweizern: “In den See! In den See! Mit einem Gewicht and den Füßen!” Die Leute in Westaustralien’s Outback haben bessere Politiker verdient.
Nacht 3, 570km: Sandstone. Dem Regen entkommen. Was für eine schöne Stadt.
Die nächste Stadt, die noch einen gesunden Puls hat, ist 150 km entfernt. Man könnte argumentieren, dass Orte wie Leinster das Outback am Leben erhalten. Aber tun sie das wirklich? Es ist, wie Newman, ein Lager, das von BHP betrieben wird, eine Schlafstadt für Bergleute. Services sind spärlich, aber zumindest gibt es ein Café, einen Supermarkt, einen Alkoholladen und ‘ne Tanke. Der Kindergarten ist um die Ecke, Spielplätze, und Pool und höchstwahrscheinlich auch ein Fitnessstudio. Die meisten Dienstleistungen werden von Auftragnehmern der Bergbauorganisation betrieben. Anders als Newman ist Leinster zu 100% Fly-in Fly-out, ein temporäres Lager in großem Maßstab. Die wirtschaftlichen Anforderungen des Bergbaubetriebs treiben die Gemeinde an. Alles ist von oben gesteuert. Und das untergräbt Initiative, das soziale Gefüge und letztlich die mentale Gesundheit. Warum soll man sich engagieren, wenn man hier nur zu Besuch ist. Das Leben passiert woanders. Erstaunlicherweise tauchen auch hier Marginalgruppen auf, um Sozialhilfe gegen Alkohol zu tauschen. Daher die beträchtliche Polizeipräsenz. Ohne die kann man auch nicht auskommen...
Wir übernachten 60 km südlich an einem Ort, der als Jaguar bekannt ist. Ein verwittertes Plateau wunderschön zerklüfteter Schluchten. Erstaunlich, was es für fantastische Plätze gibt und gar nicht weit weg von der Hauptstraße. Wir schlagen unser Lager in einer Ecke auf, die auf drei Seiten von Hügeln geschützt ist. Unter einem der wenigen Bäume. Als der Wind nachlässt, klettern wir aufs Plateau und genießen die Aussicht. Sagenhaft! Ja, es gibt Tausende von Fliegen. Aber wen kümmert es. Der Verkehr ist ein fernes Summen. Oder nicht einmal das. Und bald bleibt nur das statische Geflüster in meinen Ohren.
Ich bin froh, zu atmen - und weit genug weg von einer der schlimmsten Ideen, die eine moderne Gesellschaft je verwirklichte.
Nacht 4, 800km: Jaguar. Big Sky Country! Das muss man erleben...
Leonora ist noch immer, wie ich es in Erinnerung habe: lebendig, warm und freundlich. Nach den Erfahrungen der letzten Tage hungert man danach. Aber da wir gerade erst Pfannkuchen hatten, lassen wir das ansonsten sehr einladende Café, und die daran geknüpften Kalorien, links liegen. Ein anderes Mal. Schade...
Laverton, der nächste Ort, ist eine echte Outback-Stadt. Geprägt von Bougainvilleas, Yukkapalmen und Kakteen. Der Vormittag ist ruhig. Einige Aborigines streifen durch die Straßen. In konzentrischen Kreisen. Um den Alkoholladen. Muss bald öffnen. Aber noch ist jeder zivil.
Die Polizeistation ist wieder eines der größten Gebäude des Ortes. Und trotzdem hält es keinen davon ab, Autowracks zu fahren. Heckscheiben sind selten. Frontscheiben zertrümmert. Reifen ohne Profil. Nummernschilder fehlen auch. Sicherheitsgurte sind verpönt. Laverton sitzt im Aborigine-Land. Das scheint die öffentlichen Verkehrsregeln außer Kraft zu setzen. Ähnlich einem Farmer, der auf seinem Privatgrundstück fährt worauf er Lust hat: Anmeldung, Versicherung und TÜV, sind abstrakte Konzepte. Und Kohle, um Autos zu reparieren, hat eh niemand. Solange die Gefährte einen von A nach B oder nah genug bringen, ist alles in Ordnung. Trunkenheit und häusliche Gewalt sind für die Cops solidere Probleme als fahrtaugliche Autos. So erstaunt einen auch der riesige Käfig nicht, der die Polizeistation Richtung Wohnwagenpark erweitert. Füttern Verboten!
Der Zeltplatz ist sauber, aber mitgenommen. Das junge Managerpärchen, findet den Begriff "Kundenservice" irritierend. Keines der üblichen Geplänkel beim Einchecken. Nicht einmal die wichtige Info wie man aus dem Gelände wieder herauskommt: Der Park ist von einem drei Meter hohen Stacheldrahtzaun umgeben. Die Tore sind elektronisch gesichert. Der Unterschied zu unseren Nachbarn ist, dass wir für das Privileg hier unterzukommen bezahlen. Kein Wunder, dass sich Vanparks mit Self-Check-in rasend vermehren. Eine Welt ohne Menschlichkeit. Schauderhaft…
Die meisten unserer Nachbarn suchen das Land nach Gold ab, bewaffnet mit Metalldetektor, Pickel und Schaufel. Zurück im Camp leuchten ihre sonnenverbrannten Gesichter, während sie im Glanz der untergehenden Sonne stolz die Ausbeute des Tages präsentieren: Tüten voller Flaschenverschlüsse und alter Bierdosen.
Ich kehre im Great Beyond Visitor Centre ein auf einen anständigen Kaffee den aktuellen Straßenzustandsbericht bevor wir die Great Victoria Wüste befahren. Den letzten zwischen hier und Ulara. Es wird von indigenen Damen geführt. Ich muss mich für meine obigen Tiraden entschuldigen. Es ist wie immer eine kleine Handvoll von Leuten, die dem Mob einen schlechten Ruf verpasst. Viele unserer Mitmenschen wandern den Grat zwischen Tradition und westlicher Kultur souverän. Die Damen sind sachkundig, hilfsbereit und zu Späßen aufgelegt. Ich zelebriere diese Erkenntnis mit meinen neuen Freundeninnen und einem Stück hausgemachten Käsekuchen.
Meinen vergrippten Mann habe ich zuhause gelassen. Paul war die letzten Tagen angespannt. Ich vermute, der vergangene Job hängt ihm wie ein Virus immer noch in den Knochen.
Nacht 5, 993km: Laverton, Wohnwagenpark. Die Empfangsdame hat vergessen, uns zu sagen, wie wir aus dem Ghetto herauskommen. Das zweite Foto ist vom Wasserturm
Wir trauern Laverton nicht nach. Es ist an der Zeit, Kilometer zu schrubben. Die ersten fünfzig sind noch Teer, dann hundert Kilometer zähneklappernder Waschbrett-Strasse. Zum Glück ohne ernsthafte Auswaschungen und Schlaglöcher.
Etappe sechs bringt uns nach Tjukayirla, oder “Chooky”. Nach unserem letzten Besuch vor einem Dreiviertel Jahr sind wir angenehm überrascht. Statt Revolverhelden haben neue Manager ihre Magie entfaltet. Sie sind wie wir permanent unterwegs, haben sich aber auf Outback Pubs und Roadhouses spezialisiert. Und darauf ihnen Leben einzuhauchen. Der dunkle, versiffte Laden ist jetzt sauber, hell und einladend. Es gibt einen kleinen Shop, in dem man sich mit Snacks, Souvenirs und all den versorgen kann, was man sonst noch unterwegs braucht.
Die Geschichten, die sie von ihrem Leben im Nirgendwo mitbringen sind großartig und die Hamburger auch. Wäre das ein Leben für uns? Komplette Isolation? Sporadisch Touristen und wenige Ansässige? Ich könnte mir vorstellen, dass Gesprächsthemen sich auf Dauer im Kreis drehen. In Queenslands Middleton gibt es im Pub ein Poster mit den häufigsten Fragen und Antworten. Auf die kann man dann deuten, wenn einem die Stimme versagt oder man keinen Bock auf einen erneuten Aufguss alter Konversationsfäden. Über kurz oder lang könnte ich mir vorstellen, mich wie Sven Glückspilz in kuriose Roben mit Zinnhut zu wanden um mich vor Kosmischen Strahlen zu schützen.
In Chookytown sehen wir das ersten Mal einen Reisebus. Post-Covid ist das was Besonderes: von Perth nach Cairns. Sie haben einen Platten und lassen sich von dem Pubmanager eine Lektion im Reifenwechsel erteilen. Sämtliche Kameras sind gezückt.
Daneben tanken Anwohner gegen cash (auch das ist ungewöhnlich) und haut dann die Reisegruppe um Kohle an, um ihren Kindern einen Snack kaufen können.
Und irgendwie setzt sich das Thema dann unterwegs fort: Wir stoßen auf eine gestrandete Familie. Kaputtes Auto? Oder einfach nur Benzin ausgegangen? Eine Gruppe Männer fläzt sich im Schatten rum. Niemand scheint sonderlich gestresst zu sein. Paul drängt mich weiterzufahren. Zu viele Geschichten über Wegelagerer, die unschuldig wirken und einen dann ausrauben. So langsam steckt er mich mit seiner Nervosität an.
Camping in Westaustralien’s ALT’s (Aboriginal Land Trusts) is auch nicht ohne. Wer ein Reservat befährt braucht eine Genehmigung. Dann hat man eine bestimmte Zeit, den Landstrich zu durchqueren. Stopps sind nur erlaubt, wenn man unbedingt muss oder einfach nicht mehr weiter fahren kann. Siedlungen sind off-limits. Ausgenommen sind die wenigen Tankstellen. Wer hier des Nachts absteigt, schätzt es wenn man in einem abgezäunten Bereich unterkommt. Man weiß ja nie! Fühlt sich einfach sicherer an. Wild campen ist unerwünscht. Wenn es sich nicht vermeiden lässt, sollte man nicht weiter als 50 Meter von der Strasse parken. Und ich denke mir, wenn was passiert, dann ist es hier. Am Straßenrand. Weit weg von jeglicher Zivilisation. Gelegenheitstäter, die sich im Dunkeln an einen ranmachen. Wenn wir also im Busch campen, findet man uns immer ein paar hundert Meter weiter weg als erlaubt. Fühlt sich besser an. Ist übrigens nur in Westaustralien so. Ob es anderen Reisenden wohl auch so geht? Ich weiß, ist alles nur im Kopf. Und trotzdem…
In die Gibson Wüste, Camp Paradiso: Was für ein netter Name. Es scheint ein In-Platz zu sein, der häufig genutzt wird. Von wem ist schleierhaft, wenn die nächsten Siedlungen hunderte von Kilometern entfernt sind. Auch hier schlagen wir so weit ins Gebüsch wie nur irgend möglich. Olli hat auf Laufen keinen Bock. Ich mache ich mich alleine auf den Weg. Ziel sind die legendären Gnammalöcher, Felshöhlen, in denen sich nach Regen Wasser sammelt. Sie sind ein wichtiger Teil der Australischen Songlines oder Traumpfade, die das Land kreuz und quer durchziehen. Uralte Reiserouten, an denen sich Wanderer von Wasserloch zu Wasserloch bewegen. Um sich ohne Karten nicht zu verlieren, sind markante Punkte, wie Wasserlöcher, Felsen oder alte Bäume mit Geschichten verknüpft. Die Geschichten kann man singen. Oberflächlich beschreiben sie die Reisen spiritueller Vorfahren. Wo sie sich gebettet, gegessen, gekämpft haben, wurden erkennbare Wegpunkte hinterlassen. Gleichzeitig dienen sie als moralische Marker und beschreiben, was man tun kann und was nicht. Es ist das moralische Gerüst der Australischen indigenen Kultur. Die längsten Songlines führen quer durch den Kontinent. Sie werden von unterschiedlichen Stämmen und Sprachen als Kontinuum aufgegriffen und weitergegeben. Der Austausch von Informationen, Kultur, Materialien und Erbgut findet entlang dieser Routen statt. Weswegen es fatal ist, wenn Strassen, Eisenbahntrassen, Minen oder anderer Bauvorhaben diese Wegpunkte zerstören. Ich stelle mir vor, wie ich auf einer der Songlines entlang wandere und finde tatsächlich ein Gnammaloch! Sieht trocken aus, aber nach etwas Graben füllt sich die Senke mit Sickerwasser. Und das kann man dann trinken. Wow!
Zurück im Lager wird es dunkel. Man merkt, dass wir uns die letzten Tage Richtung Osten bewegt haben. Die Sonne sinkt deutlich früher! Länger schlafen.
Nacht 6, 1,396km: Camp Paradiso. Jenseits vom Nirgendwo. Laverton und Tjukayirla sind nur noch ferne Erinnerungen
Von Camp Paradise geht es weiter Richtung Osten zum Gipfel von Gill! Wir tanken schnell in Warburton und steuern Warakurna an für den letzten Dieselstop vor der Grenze. Wer einen Anhänger zieht, kann es sich nicht erlauben, eine Füllmöglichkeit auszulassen. Es ist Sonntag. Und morgen Feiertag. Will heißen reduzierte Öffnungszeiten. Aber wir sollten Warakurna gerade noch vor Ladenschluss erreichen. Dass wir unterwegs in eine andere Zeitzone fahren, haben wir nicht einkalkuliert. Und jetzt zahlen wir dafür. Der Sprit ist eh schon teuer. Plus die Extragebühr für Service außerhalb der offiziellen Öffnungszeiten! Für die Kohle hätten wir hier die nächsten zweit Tage übernachten können. Aber dann kommen wir mit den Restriktionen der Durchreisegenehmigung in Konflikt.
WikiCamps "to the rescue"! Wir entdecken ein atemberaubendes Bushcamp. Gill Pinnacle im Schweriner Bogen. Letzterer ist eine halbkreisförmige Bergkette, die der Entdecker Charles Giles nach der Prinzessin von Schwerin benannte. Sie muss hübsch gewesen sein und kurvig. Vielleicht is das die Referenz zum Bogen. Wir schlagen unser Lager auf einem Grat mit Blick auf das atemberaubende Tal auf. Ein Platz in der ersten Reihe zu einer der besten Shows auf Erden! Spektakuläre Wolken. Sanfter Outback-Regen. Es duftet wunderbar. Das Wort "Show" wird der Atmosphäre nicht gerecht. “Gemälde” trifft es besser. Nichts bewegt sich. Windstille. Die wenigen Grillen sind weit, weit weg! Ohrenbetäubende Stille.
Nacht 7, 1.850 km: Gill Pinnacle, unweit der Grenze. Die Landschaft und ihre Stille beeindrucken. Und der Regen auch
Über Nacht verstärkt sich das Nass. Permanenter Niesel. Manchmal intensiv, manchmal weniger. Packen ist miserabel. Unsere Kopfkissen sind nass. Und alles andere, was die klamme Leinwand berührt hat. Wir müssen unsere Schlafsäcke beim nächsten Stopp durch den Trockner jagen. Aussen ist alles was man anfaßt eklig. Der ehemals rote Staub wird zu ner schleimigen Paste, die sich an alles schmiegt: Auto, Zeltplanen, und damit auch Hände, Klamotten, Schuhe, die Visage und ins Auto trägt man es auch. Max, Paul, Olli, unser Anhänger und ich sehen lecker aus.
Erstaunlich, daß solche Erfahrungen es nie ins Fernsehen oder in Reisemagazine schaffen. Aber was uns nicht umbringt... Bei diesen Erfahrungen trennen sich Männer von Memmen. Echte Kerle jammern nicht. Sie jagen ihre Geländewagen über Stock und Stein, durch Staub und Matsch und hüfttiefe Pfützen. Entsprechend dreckig sind Autos, Anhänger und Besitzer. Kratzer im Lack sind Auszeichnungen von Abenteuerlust und Wagemut. Geländebestien werden von rohen, haarigen Kerlen gesattelt, mit brüllenden Stimmen voller Autorität, die Meister der BBQs. Prachtexemplare, die Damen und Metrosexuellen die Knie weich werden lassen. Und die weißen Jeans, die kommen jetzt in den Müll...
Ich fürchte, Olli hat gestern Abend einen Giftköder gefunden. Ich riss etwas Knuspriges, Schwarzstinkendes aus seiner Schnauze. Er war nicht beeindruckt. Ich auch nicht. Bin froh, dass er über Nacht keine Vergiftungserscheinungen entwickelt hat. Kein Internet in der Pampa. So habe ich mich erst wesentlich später über Erste-Hilfe Maßnahmen informieren können. Und sie sind haarig. Wenn ein Hund 1080 frisst, bringt man ihn dazu sich zu übergeben. Dazu kitzelt man den Schlund von innen. Hinter all den Zähnen, ohne gebissen zu werden. Alternativ haut man ihm eine 3%ige Wasserstoffperoxidlösung rein. Trinkt auch niemand gerne. Also her, mit der Pipette. Und dem Nähzeug. Für freundliche Bisse...
1080, oder Sodium Fluoroazetat, verwendet man um die Zahl wildernder Hunde im Outback zu kontrollieren. Vergiftungssymptome zeigen sich bereits kurze Zeit nach Einnahme. Unangenehm, effektiv, tödlich! Aber nur für Schoßhunde. Was eine echte Outbackrotte ist, kennt und vermeidet jegliche Köder.
Nacht 8, 2,123 km: Uluru, muss man da mehr sagen?
Mit Kata Tjuta und Uluru (Ayers Rock) am Horizont, beschliessen wir den ersten Teil unseres Versuch, Australiens Längste Abkürzung von West nach Ost zu befahren.
Die nächste Episode führt uns durch das winterliche Herz des Kontinents bis hin zur Pazifikküste. Ein Muss für jeden, der wissen will, wie man mit persönlicher Hygiene in Busch umgeht oder beim Toilettieren ohne Klo. Und wie man trotzdem aussieht, wie aus em Ei gepellt. Auf keinen Fall verpassen! Kostenfrei abonnieren. Für Spass und Wissenswertes. Und ohne Spam. Garantiert.
Wir sehen uns!
Eure Alten Säcke
Reisenotizen
![](https://static.wixstatic.com/media/194878_ca48be81f81947e5bc40df684a53edce~mv2.jpeg/v1/fill/w_960,h_892,al_c,q_85,enc_auto/194878_ca48be81f81947e5bc40df684a53edce~mv2.jpeg)
Von Tankstelle zu Tankstelle
Port Denison $1.81/Lt.
Nach Geraldton 60km, $1.91/Lt.
Nach Mount Magnet 340km, $2.08/Lt.
Nach Leonora 455km, $1.96/Lt.
Nach Laverton 127km, $2.15/Lt.
Nach Tjukayirla 300km, $2.75/Lt.
Nach Warburton 250km, $3.00/Lt.
Nach Warakurna 231km, $2.60/Lt. Plus $20 call out fee
Nach Yulara Resort 340km, $2.51/Lt.
Von Übernachtung zu Übernachtung
WikiCamps App - Nach lokalen Tipps ist WikiCamps unsere wertvollste Planungshilfe. Werdurch abgelegene Gebiete mit kargem Telefonempfang reist, tut sich einen Gefallen und lädt in den Einstellungen die App die Offline-Karten für "Australien (Westen)" herunter, die WA, NT und SA enthalten. Man kann dann zu den relevanten Offline-Inhalten wechseln. Äußerst praktisch!.
Port Denison 0km (Lat -29.2781 / Lng 114.9179)
Zum Salzsee von Tenindewah, 140km (Lat -28.6111 / Lng 115.3640)
Nach Jokers Tunnel, Yalgoo, 140km (Lat -28.4419 / Lng 116.7501)
Nach Sandstone Caravan Park, 290km (Lat -27.9902 / Lng 119.2975)
Zum Jaguar Road Stop, 230km (Lat -28.3669 / Lng 121.1632)
Nach Laverton, 193km (Lat -28.6252 / Lng 122.4925)
Nach Paradise Road Stop, 403km (Lat -26.9654 / Lng 125.4127)
Nach Gill Pinnacle, 455km (Lat -24.9230 / Lng 128.7764)
Nach Yulara Resort & Campground, 273km (Lat -25.2387 / Lng 130.9901)
Interessante Links
Outback Highway, Australiens Längste Abkürzung (https://www.outbackway.org.au)
Great Central Road (https://www.australiasgoldenoutback.com/business/attractions/great-central-road)
Kaltukatjarra (https://www.macdonnell.nt.gov.au/communities/docker-river)
Warakurna (https://warakurnaroadhouse.com.au)
Great Victoria Desert (https://en.wikipedia.org/wiki/Great_Victoria_Desert)
Warburton Roadhouse (https://warburtonroadhouse.com.au/attractions.php)
Tjukayirla Roadhouse (https://tjukayirlaroadhouse.com.au)
Laverton (https://www.laverton.wa.gov.au)
Leonora (https://www.leonora.wa.gov.au)
Tourism NT (https://northernterritory.com)
Ayers Rock Resort (https://www.ayersrockresort.com.au)
Wissenswertes
Unsere Übernachtungen wurden gewählt, weil sie hundefreundlich sind. Gewerbliche Wohnwagenparks, erlauben es nicht, Hunde ohne Leine oder im Camp allein zu lassen.
Vorsicht mit Hunden bei “wildem” Zelten. In den meisten Teilen des Outbacks werden Giftköder verwende, um die Anzahl an Wildhunden zu kontrollieren.
Die beste Zeit, um das Rote Zentrum zu besuchen, ist Australiens Winter. Tagsüber kann es bei niedrigen Zwanzigern angenehm sein, mit Frostbeulen sobald die Sonne untergeht. Im wärmeren Herbst und Frühjahr bereitet man sich als Wanderer auf frühe Starts vor. Wanderwege werden bei Temperaturen über 30 Grad gesperrt.
Transit und andere Genehmigungen
Transitgenehmigungen sind erforderlich, um die Länder zwischen Leonora und Kata Tjuta zu durchqueren. Die Genehmigungen ermöglichen einem Zugang zum Hauptverkehrsweg, aber nicht zu Aborigine-Gemeinden. Es ist verboten, Alkohol mit sich zu führen. Strenge Strafen fallen an, wenn man Alkohol weiterreicht oder verkauft.
Ngaanyatjarra Council (www.ngcouncil.org.au) - Man registriert sich kostenlos online um die dreitägige Transitgenehmigung zu erhalten, mit der man die Länder zwischen Laverton und der Grenze in Northern Territory durchqueren kann.
Central Land Council (www.clc.org.au) - Auch diese Genehmigung erwirbt man online. Sie erlaubt es einem die Region des Peterman Aboriginal Land Trust zwischen Kata Tjuta und der Grenze zu Westaustralien zu durchqueren. Es ist gültig für vier Wöchigen. Auch diese Genehmigung ist kostenlos und wird in der Regel über Nacht erteilt.
Kleine Helfer
In Verbindung bleiben - Bei Reisen ins Outback sind Telstra und Optus bei weitem die zuverlässigsten Anbieter. Trotzdem gibt es jede Menge Black-Spots ohne jegliche Verbindung. Vodaphone und Co sind nur eine Option für Ballungsräume.
Online gehen - Wer länger reis oder wie wir den Standort häufiger wechselt, wechselt wichtigen Kontakte zu Banken, Kreditkarteninstituten, Versicherungen, Immobilienmakler, Auto- und Wohnmobilregistrierung zu Online-Services. Damit man keine wichtigen Kontoauszüge oder Aktualisierungsanfragen verpaßt.
AAR-Registrierung - Wer mit Haustieren interstaatlich reist, muss seine haarigen Kumpels mir Mikrochip versehen und sämtliche gesetzlichen Impfungen auf dem neuesten Stand haben. Das Australasian Animal Registry AAR ist eine einfache Möglichkeit, Mikrochip- und Wohnsitzdetails des Haustieres online up-to-date zu halten (aar.org.au).
Den Trip Organisieren
Hema Australian Road & 4WD Atlas - Nichts geht über die guten alten Papierkarten, besonders wenn Strom, Batterien oder das Internet ausfallen.
FuelMap Australia App - Für den billigsten Treibstoff weit und breit.
Google oder Apple Maps App - Wenn verfügbar, ist die Satellitensicht hervorragend, um das einzigartige, individuelle Camp abseits ausgetretener Pfade zu finden.
MainroadsWA App (https://mrw-aue-tvlmp--appsrv-prd.azurewebsites.net/Home/Map) - ist ein großartiges Tool, um sich über Straßensperrungen auf dem Laufenden zu halten, besonders bei Bauarbeiten und nach Unwettern. Ein Muss für Reisen im Outback.
Dinge, die uns begeistern
Bessere Internet- / Telefonabdeckung mit X-Wave - Wer auf bessere Konnektivität angewiesen ist, sollten einen Signalverstärker in Betracht ziehen. Es wird ins Auto fest eingebaut. Der Verstärker landet normalerweise unterm Fahrersitz und eine stabile Antenne auf der Stoßstange. Es reduziert Black Spots, kann aber natürlich nur existierende Signale verstärken. Für Kauf und die Installation fallen Kosten an.
Zusätzliche Sicherheit mit ZOLEO - Mit diesem praktische Gerät, kann man überall in Australien via Mobiltelefon Textnachrichten senden und empfangen, und wichtiger noch, im Notfall, ein Notsignal senden. Zur Kommunikation nutzt Zoleo das Iridium-Satellitensystem. Super einfache Kommunikation via App. Besser als ein EPERB, dass im Fall der Fälle nur ein Stresssignal mit Koordinaten aber ohne klärende Details senden kann. Monatliche Gebühren fallen an (siehe ZOLEO.com).
Commentaires