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Die Täler von Avon & Collie River (April 2022)

Writer's picture: Sven ReicheltSven Reichelt
Willkommen zu einem Ausflug durch sagenhafte Landschaften, gespickt mit Kunst und Historie und verwegenen Charakteren!

Arbeit macht müde. Es ist schwierig, Energien zu tanken. Aber das ist es, was wir vorhaben. Es gibt nicht wirklich ein Ziel. Wir haben Großartiges über die Stadt Collie, ihre Straßenkunst und die größte Wandmalerei der südlichen Hemisphäre gehört. Und so machen wir uns dorthin auf. Warum auch nicht. Danke, Paul, dass du darauf bestanden hast. Alleine hätte ich mich wahrscheinlich nicht aufgerappelt.


Unser erster Halt ist New Norcia, ein seltsamer Ort. Es ist die einzige Klosterstadt Australiens, gebaut um eine Benediktinerabtei von 1848. Mit guten Absichten wurde eine Mission gegründet, um Aborigine-Kinder unterzubringen und zu erziehen. Die Organisation “Native School & Orphanage” (Waisenhaus und Schule für Eingeborene) und wurde 1974 nach Enthüllungen seelischen und körperlichen Missbrauchs geschlossen. Trotz - oder vielleicht wegen - seiner dunklen Historie ist es heute ein Ort, in dem Mönche leben und beten, ein Ort spiritueller Suche und seelischen Rückzugs.

Viele der großen, alten Gebäude stehen noch und sind, mal abgesehen vom Kloster, der Öffentlichkeit zugänglich. Eine interessante Mischung kolonial-ekklesiastischer Baukunst mit spanischen Untertönen. Und passt so wenig hierher, wie die ursprüngliche Idee der Mission. Wir erwägen kurz, am nahegelegenen Moore Fluss zu campen. Aber es liegt etwas Seltsames in der Luft. Die Gespenster der Vergangenheit? Absolution suchen wir nicht wirklich und so ziehen wir weiter.


Max, unser Truck, bringt uns nach Toodyay (ausgesprochen Tuu-Jäi) im Tal des Avon. Die Schlucht ist fast zu schmal für Fluss und Stadt. Und trotzdem schaffen sie es irgendwie, sich wie Liebende, eng umschlungen, ins Tal zu schmiegen. Flache Wehre halten einen Rest kostbaren Nass zurueck, ansonsten ist der Fluss ist staubig-trocken.



Etwas stromauf schlagen wir unser erstes Lager auf, an einem stagnierenden Wasser aber sonst malerischen Wehr.

Ich reiße mit Olli und der Drohne aus. Eine Fotositzung im Kiesbett. Der Fluss hat hier die Gebeine des Tales bloß gelegt. Mit etwas Fantasie kann man das Rauschen des Wassers, wie es sich den Weg durchs Tal bahnt, heraufbeschwören.


Zurück im Lager ziehen Reihen von Blasen unsere Aufmerksamkeit an. Sie bewegen sich träge auf uns zu und an uns vorbei. Ob die Quellnymphen uns wohl gehört haben? Der Fluss scheint zu erwachen. Die stille Oberfläche beginnt zu vibrieren, während das Wasser langsam anzuschwellen scheint. Fasziniert verfolgen wir das Spektakel. Ein Stock im Fluss, bestätigt, dass hier tatsächlich was passiert. Und zaghaft, aber stetig das Ufer erklimmt. Die Aufführung hält über Nacht an. Sanft und ruhig. Nur für uns. Am Morgen fliesst der Fluss und das trockene Kiesbett ist verschwunden.

Mit der aufgehenden Sonne setzt ein sanfter Nieselregen ein. Reste, des Regens, der den Fluss aus dem Schlaf geholt hat. Wir packen schnell ein und schleichen uns in die Stadt. Frühstück ruft. Regen wäscht die alten Häuser behutsam. Dann gurgelt er den Bordstein und die Straße hinunter. Bis wir Toodyay’s Bäckerei finden, gießt es in Strömen. Wenn es im Englischen schifft, regnet es “Hunde und Katzen”. Olli ist mittlerweile gut durchweicht. Wir kuscheln uns unter eine Markise, heißer Kaffee in den Pfoten und beobachten, wie die Stadt zum Leben erwacht. Und hören den Tropfen zu die auf dem Bürgersteig ihre Melodie trommeln. Klickety-klack.


Eine Hängebrücke führt über das nun munteren Gewässer. Kinder auf dem Weg zur Schule. Bunte Regen- und Windjacken, Gummistiefel und lustige Ranzen. Sie mustern Olli neugierig. Ein paar Mutige bitten um Erlaubnis, zu streicheln. Dazu sagt unser Hund nie nein! Netter Ort.



Das Avontal ist, trotz Regen, wirklich schön. Wir folgen dem Fluss hinauf nach York. Eine weitere liebenswerte Stadt! Sie lädt dazu ein an alten Gebäude entlang zu schlendern, Aussichten zu genießen und die verschiedensten Aromen zu atmen. York ist synonym mit Gärten und Rosen. Sie passen wunderbar zu der kolonialen Architektur und den Imbissen, Cafés und Restaurants die sich dort hinein schmiegen.

Man nimmt sich hier nicht allzu ernst. Wie sonst darf man die Aussenwerbung für Unterkünfte ausschließlich für “respektable" Paare verstehen! Das gefällt mir. Das Oldtimer-Museum gegenüber passt hier auch gut hin. Es ist eines der besten privat geführten Automobilmuseums des Landes. Olli sieht harmlos genug aus und darf die alten Karossen mit uns erkunden. "Denn Hund kann man doch nicht allein auf dem Gehweg sitzen lassen!" Es hilft, grosse unschuldige Augen zu haben. Und so schnüffeln wir an alten Gummis, an Metalllampen, und polierten Motorhauben. Es ist verführerisch an antikem Leder zu Knabbern oder mal lässig das Bein zu heben. Nooo! (was er nicht im Frontallappen hat, muss ich mit Lappen und Wischmopp ausgleichen). Tolles Team! Super Ausstellung!


Wer in York ist, darf die Sockenfabrik nicht ignorieren. Seit Jahrzehnten macht man hier Wolle anziehend. Die hochwertigsten Stücke sind aus einer Mischung von Possum und Merino gemacht. Angenehm warm und leicht zu tragen. Paul leistet sich einen Pullover zum Geburtstag. Und zu Weihnachten und Ostern - und für die nächsten fünf Jahre. Ganz schön teuer! Das Opossumflies kommt aus Neuseeland. Weil nackte Opossums ein trauriger Anblick sind, wartet man, bis sie sich aus dem Leben verabschieden und zieht ihnen dann das Fell über die Ohren. Hm, ich vermute, das beim Ableben unter Umständen nachgeholfen wird. Dann vielleicht doch lieber nur Schaf.



Das zweite Camp ist in Kulyaling, südlich von York, am Oberlauf des Avon. Und es ist kalt. Port und lange Unterhosen halten das Wetter in Schach. Trotz der Nähe zum Highway ist es hier ruhig und idyllisch.



In Sachen Ruhe muss unser drittes Camp noch eine Menge lernen. Es geht zum Glen Mervyn Stausee, jenseits von Collie. Die Zeltplätze befinden sich direkt am Ufer. Es dehnt sich je nach Niederschlag aus oder schrumpft. Momentan ist es angenehm weit. Und kostenlos. Der See zieht interessante Charakter an. Besonders an diesem langen Wochenende. Und so genießen wir eine Lektion in angespannter Gelassenheit: Es gibt viel Hoohaa, unanständig laute Musik und heulende Motoren. Reifen drehen durch im weichen Sand, bis man unter viel Gejohle stecken bleibt. Und dann Stille. Während sich die Idioten bei Vollmond versuchen auszugraben genieße ich endlich eine Mütze Schlaf. Glücklicherweise müssen die meisten am nächsten Tag zur Arbeit, während wir spazieren gehen, paddeln, Müll sammeln (auch das hat was meditatives) und das Auto putzen.



Der nahegelegene Wellington National Park ist urig. Super Mischung aus Wanderwegen, Badestellen, und Kunst. Guido Van Helten schuf ein atemberaubendes Gemälde auf denn über 8000 Quadratmetern der Staumauer, eine der größten Leinwände der Welt. Die Suche nach geeigneten Motiven ließ den Künstler tief in Collies historische Archive abtauchen. Das Ergebnis ist eine Collage vorgestriger Aktivitäten und Charaktere. Die sepiafarbenen Reproduktionen von Kindern am Bach sind heute angesehene Senioren der Gemeinde. Ein faszinierendes Projekt.



Wie immer kann Herr O, den Nationalpark, nur vom Auto aus genießen. Während Paul und ich die Staumauer bestaunen und später im Fluss von Wasserloch zu Wasserloch springen. Olli kommt dafür bei der Wanderung durch die Stadt auf seinen Kosten: Straßenkunst vom Feinsten! Und viele leckere Schnäppchen aus der Gosse. Anbei eine Auswahl der spannendsten Gemälde.



Donnybrook und unsere erste Begegnung mit einem Selbstbedienungs-Touristpark. Man bucht online und erhält dann eine E-Mail mit Standortnummer und Zugangscode für Duschen und Klo. Abenteuerlich wird es, wenn man den Aufenthalt verlängern möchte. Ohne den Stellplatz zu wechseln. Dazu muss man dann doch zum Telefon greifen. Der Park befindet sich im Zentrum der kleinen Stadt. Alles ist zu Fuß erreichbar: Museen, Cafés, die Bäckerei, und ein Kinderspielplatz auf Steroiden. So etwas Tolles haben wir noch nicht erlebt. Groß wie ein Fußballplatz, nimmt er die ehemaligen Stellgleise ein. Direkt neben dem historischen Zentrum und dem stillgelegten Bahnhofs. Wow! Wahnnsinnsort. Und so hängen wir noch einen Tag länger dran.


Schon einmal von Gnomville oder Frog's Hollow gehört? Lust auf etwas Außergewöhnliches, Seltsames und Wunderbares? Dann kommt man um Gnomville nicht herum. Nicht ganz sicher, was uns erwartet. Und das ist immer am Besten. Inmitten eines tiefen, dunklen Waldes, wo Fuchs und Has sich Gute Nacht sagen, verstecken sie sich im Unterholz, unter Wurzeln, und in Bäumen. Hunderte, Tausende, eine Armada von Zwergen wächst da. Mit beängstigender Fröhlichkeit. Übernehmen jeden Spalt. Jede Ritze. Besucher fügen permanent weitere hinzu. Signiert und datiert, als Urkunde: “Ich war hier!” Es gibt sogar Gedenkstätten für Familien und Clubs. In der Stunde, die wir hier sind haben sich weitere zwanzig Gnome hinzugesellt. Und das inn der Nebesaison! Liebenswürdigkeit überrennt den Wald und die Welt! Fragwürdige Charaktere sind auch dabei. Definitiv nicht jugendfrei. Und leider zu wenig Spielzeugsaurier, die den Wildwuchs eindämmen könnten.


Frog’s Hollow, ein paar Kilometer weiter, ist der fragwürdige Versuch eine Gegenrevolution zu starten. Mit Amphibien: Frösche, Kröten und Feen. Oh Mann! Gegenüber ein Kiosk, das die verschiedensten Figuren und natürlich auch Zwerge zur Adoption feil bietet. Ein cleverer Fall von Recycling?!? Nicht alle Zwerge sind einwandfrei…




Fish'n Chips in Two Rocks

Die Fahrt von Donnybrook nach Ledge Point ist lang und weilig. Die Küste nördlich von Bunbury ist eine einzige, 400 km lange Vorstadt. Fast noch grausliger als Gnomville. Statt Zwergen zwischen Zweigen, gibt es graue Menschen in ebensolchen Häusern, die alle irgendwie gleich aussehen. Was wohl der Reiz ist, so zu leben? Die wenigsten sehen das Meer, was angeblich der Reiz der Region ist. Stattdessen reiht man sich endlos in Schlangen zur Arbeit oder zum Einkaufen, zur Schule oder zum Kindergarten, zum Sportzentrum und zum Friedhof. Trotzallem ist der Großraum Perth ist eine der teuersten Immobilienregionen Australiens. Schrecklich. Ich fürchte, die letzten Jahre im Outback haben uns für diese Art von Gedränge nachhaltig versaut.

Two Rocks befindet sich am nördlichen Ende dieses Molochs. Momentan noch entspannt. Aber die neue Zuglinie, die sich dem Ort entgegen streckt, wird dem bald ein Ende setzen. Bis dahin geniessen wir einen Ort, der fast an eine der kleinen griechischen Küstenorte erinnert: Häuser auf schmalen Klippennasen, dazwischen gepflasterte Gassen, Fußgänger statt Autos. Ein Idyll wie im Film Mama Mia. Großartig als Zwischenstopp. Und leckere Fish'n Chips.


Am Ende eines verfahrenen Tags genießen wir die verschlafene Ruhe von Ledge Point. Es ist die nächste Siedlung die Küste rauf. Das Team im Campingplatz macht es uns einfach anzukommen und zu entspannen. Wir beschliessen den Abend mit einen langen Spaziergang, lassen uns von der frischen Luft durchpusten und von der Umgebung beleben!


Am Morgen halten wir noch kurz in Lancelin. Es ist nett und das Café am G'Day Park ziemlich aufregend! Neben Killer Bacon & Egg Rolls sind Lancelin’s Spezialität 4WD-Touren in die umgebenden Dünen und Surfing. Merkt man’s?



Zurück in Port Denison gibt es einen dickes Lob für das Team von Tyrepower. Sie schaffen es unser Rigg kurzfristig zur Radprüfung und zum Auswuchten zu buchen. Die letzten Kilometer auf der Strasse fühlten sich merkwürdig an. Unser Verdacht bestätigt sich: Wir brauchen einen neuen Satz Reifen für den Anhänger. Und für Max neue Dichtungen für die Gleichlaufgelenke. Damit er sich nicht ausgelassen fühlt. Gut, dass die Leute in der Werkstatt so gründlich sind. Das hätte sonst ziemlich ziemlich teuer werden können.


Gerüstet für neue Reisen, bringt dieser Beitrag unser Abenteuer “Westaustralien” zum Ende. Zumindest vorerst. Die nächste Episode sieht uns bereits auf dem Rückweg nach Queensland. Durch Australiens wildes Herz. Nicht verpassen! Am besten heute noch unseren Blog abonnieren. Voll gestopft mit Staunenswertem. Kostenfrei. Und ohne Werbung. Garantiert.


Man sieht sich Downunder,

Eure Alten Säcke!


 

Reisenotizen


Distancen

Von Dongara / Port Dennison

Nach New Norcia - 266 km

Weiter nach Toodyay - 87 km

Weiter nach York - 64 km

Weiter nach Collie - 225 km

Weiter nach Donnybrook - 51 km

Weiter nach Ledge Point - 319 km

Zurück nach Port Denison - 240 km







Links

  • New Norcia (https://www.newnorcia.com.au)

  • Toodyay (https://www.toodyay.wa.gov.au/visit-toodyay/)

  • York (https://visit.york.wa.gov.au)

  • Die Socken Fabrik (www.thesockfactory.com.au)

  • York Motor Museum (https://www.yorkmotormuseum.com)

  • Collie River Region (https://collierivervalley.com.au)

  • Glen Mervyn Stausee (https://collierivervalley.com.au/local-listings/glen-mervyn-dam/)

  • Straßenkunst in Collie(https://coll ierivervalley.com.au/local-listings/collie-mural-trail/)

  • Wellington Nationalpark (https://exploreparks.dbca.wa.gov.au/park/wellington-national-park)

  • Huido Van Helten (https://www.guidovanhelten.com)

  • Donnybrook (https://donnybrookwa.com.au/attractions/)

  • Gnomville & Frogs Hollow (https://www.gnomesville.com.au)

  • Ledge Point (https://www.mooreriverregion.com.au/explore/ledge-point/)


Von Unterkunft zu Unterkunft

Von Port Denison

  • Zum Dumbarton Reservat, Toodyay 360km, Lat -31.5720 / Lng 116.5158

  • Zum Kulyaling Park 140km, Lat -32.4603 / Lng 117.0481

  • Zum Glenn Mervyn Stausee 140km, Lat -33.4968 / Lng 116.0980

  • Zum Donnybrook Transitpark 140km, Lat -33.5711 / Lng 115.8201

  • Zum Ledge Point Caravan Park 320km, -31.1039 / 115.3785

  • Nach Port Denison 240km, Lat -29.2781 / Lng 114.918

Die beste Reisezeit

Das Hochland östlich von Perth Hills und seine Täler sind das ganze Jahr über einen Besuch wert. Im Sommer ist es zwar heiß und trocken, aber es gibt so viel zu sehen, sowohl im Freien als auch drinnen, dass es wirklich egal ist, was das Wetter macht.

Dinge, ohne die wir nicht leben können

Merinounterwäsche - Da haben sich die Aussies was Tolles einfallen lassen. Merinowäsche ist im Winter warm und bei sommerlichen Temperaturen erstaunlich kühl. Wie eine Thermoskanne. Die weiß irgendwie auch immer, wann der Inhalt warm oder kalt bleiben muss. Ziemlich clever. Gerüchteweise weist Merino Körpergeruch ab. Will heißen, dass man die Wäsche beim Campen auch gerne mal ne Woche länger tragen kann ohne zu müffeln. Cool und praktisch!

Gartenzwerge - Man sollte immer einen im Auto haben. Man weis ja nie, wann man einen braucht.

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