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Corner Country - Trip nach Cameron’s Corner (November 2019)

Writer's picture: Sven ReicheltSven Reichelt

Updated: Dec 26, 2020

Pünktlich zum September hat man in Charleville den Winter abgestellt. Der heisse Nordwind schmeckt nach Staub, der Himmel ein fahles Grau mit einem unangenehmen Gelbstich. Sogar auf meiner Laptoptastatur ist ein feiner Film.


Solche Kleinigkeiten regen hier niemanden auf und mit der richtigen Vorbereitung (das Asthma Spray ist in der Tasche) kann man trotzdem Spass haben, wie hier beim Seifenkistenrennen. Erst die Kiddies und dann die Daddies - sie haben die Flitzer ja schliesslich gebaut und sind mindestens ebenso eager zu gewinnen, wenn nicht noch mehr - hier geht es schließlich um die Familienehre!



Oh Mann! Super lustig! Mehr Masse bedeutet nach einem schleppenden Start mehr Schwung - solang nur das Gefährt durchhält!


Die Hitze saugt das letzte Gruen, die Touristen und unsere eh schon kargen Kräfte aus.

Nachdem wir festgestellt haben, dass unsere Reinigungskräfte mit nur 20 Stunden pro Woche genau so viel verdienen wie wir Vollzeitkräfte, haben wir uns umgetan: Unser Vertrag mit dem Hotel ist nicht astrein. Die Besitzer des Ladens waren uns gegenüber in Sachen Arbeitsaufwand nicht ehrlich. Die Ermahnung der Besitzer dass wir freie Zeit dann nehmen müssten, wenn sie verfügbar wäre, ist in der Hauptsaison ein Witz. Die Kombination von gesetzlichem Mindestlohn und satten unbezahlten Überstunden ist auf Dauer entmutigend.

Wir vermuten, dass unser Vertrag absichtlich so abgefasst ist, dass die gesetzlichen Tarife für die Australische Hotel- und Gaststättenindustrie keine Anwendung finden. Keine Chance, die Unterbezahlung einzuklagen. Erstaunlicherweise sind die Besitzer völlig vor den Kopf gestossen, dass wir unseren Vertrag nicht verlängern wollen. Na sowas!


Während unser “Fall” von offizieller Stelle untersucht wird, sind Paul, Olli und ich ein letztes Mal mit dem Camper unterwegs. Man sollte meinen, dass wir kürzer treten würden… weniger Kilometer, weniger Stress, bessere Strassen. Hmm!


Wir haben uns in den Kopf gesetzt im November Cameron’s Corner zu besuchen, die legendäre Ecke, wo Queensland, Südaustralien und New South Whales zusammen treffen. Satte 1.750 km für den Rundtrip, 1.000 km davon Schotterpiste.

Die vorige Nacht haben wir etwas zu tief in Glas geschaut, entsprechend holprig ist der Reisestart.


Frühstueck gabs in Cunnamulla’s Giddy Bean Café, einen Cider im Pub in Hungerford.



Letzteres liegt auf der Grenze zu New South Whales, direkt am 5.614 km langen Dingo Zaun, der die beiden Staaten trennt. Er wurde in den 1880ern erstellt und hat die Schafherden in Australiens Südosten vor Wildhunden bis in die 1990er geschützt.

Er reicht von Dalby westlich von Toowoomba bis fast an die Westaustralische Grenze. Angrenzende Farmer bilden Interessengruppen, die jeweils “ihren” 60 Kilometer langen Zaunabschnitt kontrollieren und ausbessern, ein massives Unterfangen. Alle 100 oder so Kilometer gibt es ein Tor das, solange es geschlossen ist, neben Dingos auch ungebetene Zweibeiner draussen hält.


Nach 11 Stunden kommen wir in Tibooburra an: 66 Seelen Dorf, viel Charakter, alte Häuser, nette Leute, gutes Essen, einfach nur super!

Auf die Frage wie es sich in der Wüste lebe erhalten wir fragende Blicke: Regen sei in der Tat rar, aber das Rettungsboot im “Park der Pioniere” deute doch eindeutig auf nassere Zeiten. Man versteht Spass, selbst hier!



Obwohl wir Selbstversorger sind, haben wir uns im Zeltplatz eingemietet. Die heissen Duschen waren zu verführerisch! Ausserdem haben letzten 450 km Schotterpiste unseren Reisekühlschrank ramponiert. Der Netzanschluss funktioniert noch und so können wir entspannt in den Sonnenuntergang schauen, bis Paul morgen das Teil repariert. Vermutlich nur eine Sicherung.

Nach viel Testen und Fluchen stellt sich heraus, dass es die Leitung ist, die Kühlschrank und Autobatterie verbindet. Ausserdem ist im Camper ein Regal ausgebrochen und damit sämtliche Leitungen vom Fahrzeug zum hinteren Ende des Anhängers! Kein Wunder, mein Mann ist etwas genervt - trotz aufregender Landschaft!


Nach ‘nem herzhaften Bissen brechen wir am Morgen nach Cameron’s Corner auf, dem einzigen Australischen Flecken, in dem man in drei Staaten und drei Zeitzonen gleichzeitig Golf spielen kann, das Gruen muss man selber mitbringen. Statt die Schläger zu schwingen, haben meine Männer in allen drei Staaten gleichzeitig gepinkelt, auch das is eine Australische Tradition: Männer eben (siehe unten)!



Der berühmte Corner Store bietet Diesel und Verpflegung, in unserem Fall flüssig. Nach dem obligaten Klönschnack mit dem einzigen Anwohner / Restaurant Besitzer / Koch / Mechaniker, geht es durch SA und zwei Dingo Tore zurück nach NSW und in den Sturt National Park, unsere erste echte Wüste! Könnte ich in einem Ort wie Cameron’s Corner leben? Seit drei Jahren hat es hier nicht geregnet. Das Trinkwasser kommt aus dem 500 km entfernten Broken Hill. Brauchwasser wird momentan aus einem 20 km entfernten Brunnen angekarrt. Die Daseinsberechtigung sind die geografische Lage und der Tourismus. Vielleicht doch etwas zu entlegen…


Auf den Klippen eines Jump Up (=Hochplateau) , machen wir halt. Die Weite und die Farben des Outback sind unglaublich. Es erinnert mich an das Norddeutsche Flachland: Endloser Himmel, weite Ebenen, die bis and den Horizont reichen. - Nur das Meer fehlt… und die Möwen, und der Wind, der einem das Haar salzig kämmt



In der Ferne ahnt man einen alten Flusslauf, der sich wie eine Ader unter der krustigen Haut des Outback abzeichnet. Gestrüpp folgt im Wuchs wie Schamhaar den Niederungen und deutet darauf hin, dass es unter der Oberfläche noch kostbare Feuchtigkeit gibt. Wer im Flussbett gräbt mag einen “Soak” entdecken, eine Grube, in die - mit Geduld - lebenspennendes Nass sickert. Die Ureinwohner kannten all diese geheimen Stellen. Wir Westler können uns da nur Wundern.

Ich habe gelesen, dass die Idee des “Rivers" oder Flusses eine sehr Westeuropäische ist: In Australien, wo es selten regnet, ist ein Fluss allenfalls eine Aneinanderreihung von Wasserlöchern, viele nicht einmal permanent. Sehr selten - und nur nach viel Regen - verbinden sie sich zu einem Fluss, bewegen sich langsam aufs Meer zu aber erreichen es doch nie. Wow! Vielleicht müssen wir in Australien nach einem anderen Ausdruck suchen - und nach einer anderen Einstellung zu Zeiten der Dürre die eher die Norm als Ausnahme sind.


Die nördliche Strasse durch den Sturt National Park ist abwechslungsreich: Von Jump Ups und Gibberebenen, die mit kleinen polierten Steinen bedeckt sind, zu ausgetrockneten Seen deren feiner, weisser Staub alles bedeckt und sämtliche Farben und Texturen verschlingt. Es ist eine Herausforderung in dieser eintönigen Landschaft nicht vom Weg abzukommen. Ich stelle mit vor, wie man im feinen Staub versinkt. Eidechsen und kleine Nager schwimmen vermutlich mit neonfarbenen Tauchbrillen und Schnorcheln durchs Nichts.

Bevor die Sonne verschwindet sind wir zurück in Tibooburra und prosten uns zu! Was für ein Tag!

Mittwoch geht es weiter über Silver City Highway und Bulloo Downs Road Richtung Thargomindah: 300 km Schotterpisten und Ziehwege. Die Tracks sind gut und die Szenerie atemberaubend. Wir überqueren einen Gebirgszug, fahren durch reichen, schwarzen Boden mit Niederwald und folgen nach einem weiteren Jump Up den Niederungen des Bulloo “River”. Viel Grün und Blumen. Wenn es regnet müssen die Farmen hier super produktiv sein.


Aber nicht heute. Mit jedem Atemzug nehmen Wind und Temperaturen zu. Wir machen Rast an einem antiken Traktor (links). Der Kaffee knirscht. Sogar der Hund kneift seine Pippipause ab, wir flüchten ins Auto. Auch dort wird es unangenehm. Eigentlich wollten wir uns einen romantischen Platz für die Nacht suchen, aber an Camping ist nicht zu denken. Die Luft ist dick mit Staub. Der Horizont verschwindet in einer weis-grauen Suppe. Sicht unter 50 Meter. Schneckentempo. Hoffentlich kommt uns niemand entgegen. Stunden um Stunden.


Erstaunlicherweise scheint in Thargo die Sonne! Wir entscheiden unseren Camper aufzustellen. Dann kommt die nächste Front! Der Wind heult. Zeltplanen und Gestänge knallen. Ich sperre den Hund ins Auto. Whiteout! Eine Hand vor Mund und Augen, die andere tastend am Wagen entlang. Ewigkeiten bis zum Eingang in den Camper. Paul hängt sein ganzes Gewicht in die Zeltplane. Eine der Stangen gibt nach. Sandsturm! Shit.

Und wie aus dem Nichts gibt der Wind gibt nach, dicke Regentropfen fallen. Oh Boy! Wir haben unser Gefährt selten so schnell wieder zusammengepackt. Und die nächste Böhe ist bereits im Anmarsch. Wir zittern. Erschöpft, dreckig, zerfledert aber auch happy, dass nicht mehr passiert ist. Flucht in den Caravan Park. Wir mieten ein Apartment. Der Sturm rüttelt wütend an den Fenstern. Das ist dann wohl das Ende von unserem Urlaub.


So schnell wie sich der Sturm aufgebaut hat ist er auch wieder vorbei. Sandstürme gehen immer einer massiven Gewitterfront voraus. Sobald sich der Luftdruck ausgleicht, ist es auch der Wind weg. Regen folgt - oder auch nicht. Der Staub, der von den Trockenzonen in die Atmosphäre aufsteigt verhängt die Sonne tagelang und regnet dann hunderte von Kilometern entfernt über Brisbane oder Sydney ab.

Wir haben noch zwei solcher Stürme auf unserem Weg nach Westaustralien miterlebt. Man gewöhnt sich nicht daran. Ich frage mich, ob Camper mit Soft-Top, also Zeltaufbau, wirklich ideal sind um permanent unterwegs zu sein und sich solchen Naturgewalten zu stellen. Ein teurerer Wohnwagen ist nicht wirklich die Alternative, oder? Dafür sind wir noch zu jung…


Wir entscheiden uns die Reise nicht abzubrechen und reisen weiter nach Toompine (a Pub without a Town). Opale haben diesen Ort vor 120 Jahren auf den Plan gerufen. Heute schauen nur noch Strassenarbeiter auf ein kaltes Bier vorbei. Serviert wird von einem tätowierten Bär mit einem Vokabular das sich gewaschen hat - mit F’s und C’s und allem was es noch dazwischen gibt!



N Kaffee in eht es wirtschaftlich nicht gut. Schuld daran sind wie immer “Die Anderen”, die die umliegenden Farmen aufkaufen und von Schafen auf Rinder umsteigen. Rinder werden nicht geschoren und so bleiben die lukrativen Landarbeiter aus. Der Tourismus sei viel zu unberechenbar. Der Bär gibt den Touristen auch nicht gerade Grund länger zu verweilen: Gebäude und Besitzer sind verkommen, das Menu ist langweilig, die Getränke teuer. Von der farbigen Vergangenheit keine SpurN . Diesem Ort ist irgendwann mal die Seele abhanden gekommen. Eigentlich Schade, denn das Potenzial ist da…


Nächster Stop: Kaffee in Quilpie’s schöner Hauptstrasse. Museen, alte Häuser und Strassenkunst laden ein, das Auto abzustellen. Hier ist Paul vor dem alten Kino. In Zeiten als dieses Gebäude erstellt wurde nannte man Kinos oder Pictures Theatres noch Talkies (im Gegensatz zu Stummfilmtheatern der Zeit).



Und wer hätte gedacht dass das letzte Foto - in einer öffentlichen Bedürfnisanstalt aufgenommen - irgendwann mal jemanden hinterm Klo hervorlocken könnte?

Daneben Olli und ich auf einem der Betonschafe, die die Hauptstrasse Quilpie’s entlang wandern.


Wir enden auf einer Farm am Lake Houdraman und quartieren uns für die letzte Nacht am See ein. Olli geht schwimmen. Paul und ich checken unser Rigg auf Sturmschäden und verteilen den Dreck der letzten Tage.



Gutes Essen. Sonnenuntergang. Lagerfeuer. Kaltes Bierchen.

Alles Gut!





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